#MonatsImpuls Mai 2023
"Was macht Ihre Seele heute so?"
Liebe Leserinnen und Leser,
„Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.“ (Psalm 42,2)
Tja, das ist so ein Bibelvers, der – mir jedenfalls – gut im Gedächtnis bleibt. Sehr bildstark! Das kennen Sie doch bestimmt auch noch von früher, in manchem deutschen Wohnzimmer, da hing er, über der Anrichte, der röhrende Hirsch auf der Lichtung im dunklen Tann. Ob der wohl lechzt? Eins von diesen alten, interessanten Wörtern: Lechzen. Wie geht das? Ich denke sofort an die Zunge, die aus dem Mund hängt, die Augen des Zungenbesitzers weit aufgerissen vor Verzweiflung, vor Verlangen. Comicbilder vom Wanderer in der Wüste. Der Schweiß perlt ihm von der Stirn. Er ist durstig. Dann die Fata Morgana: Ein großes frischgezapftes Bier mit schöner Schaumkrone. Wahlweise Apfelsaftschorle. Und er lechzt!! Das hat irgendwas mit der Zunge zu tun: Ich lechze nach einem Eis, es ist so heiß, und ich lecke freudig daran. So soll meine Seele also auch lechzen… Oh, Moment, nein: Sie schreit ja, die Seele.
Was macht Ihre Seele heute so? Der Psalmbeter weiß es. Ich eher nicht. Wenn sie schreit, müsste man es ja merken. Meistens ist sie unauffällig.
Wenn einen eine richtig starke Sehnsucht erfüllt – gar nicht mal konkret, mehr so unbestimmt – eine unbändige Sehnsucht nach Leben, nach frischem Wind um die Nase, weil man so festgemauert ist in seinem Alltag, in dem kleinen Alltagskaro. So ein großes Verlangen nach Freiheit, Aufbrechen, was erleben. Das könnte sie gut sein, meine Seele, die sich sehnt. Und wenn es einem schlecht geht, richtig schlecht, dieses fast schmerzhafte Verlangen danach, dass das weggeht, dass man wieder in einem angenehmen Leben landet. Vielleicht merke ich das Schreien meiner Seele auch nicht. Vielleicht ist sie schon so ausgetrocknet wie der Wüstenwanderer im Comic und kann gar nicht mehr laut schreien. Eine vertrocknete Seele… – die lechzt nach frischem Wasser, wie das Vieh. Haben Sie schon mal Rinder nach Wasser brüllen hören? So in der Art.
„Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele“ (Psalm 23). Genau damit nämlich. Wo ist denn die Quelle, die das Verlangen meiner Seele stillt? „Bei dir ist die Quelle des Lebens“ (Psalm 36,10) – bei Gott nämlich. Es ist nicht dies und das, wonach unsere Seele schreit oder lechzt: Der tolle Urlaub, das tolle Haus, das tolle Auto, die tolle Familie – das ist alles okay, aber nicht das, wonach die Seele verlangt. Ihren Durst stillt Gott selber. Wenn du das Verlangen spürst, wende dich ihm zu. Er kann. Und will. Und wenn dieses Verlangen gestillt ist, und du bist erquickt, dann wende dich Gott zu und sage: „Danke!“ Du hast aus der Quelle des Lebens getrunken. Jesus sagt: „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten“ (Joh.6,35). Jesus stillt das Verlangen unserer Seele, immer wieder. In ihm ist die Quelle des Lebens mitten unter uns. Und das Lechzen wird gestillt. Und der Seele geht es wie dem armen Wüstenwanderer, der dann endlich, endlich sein großes Bier – wahlweise große Apfelsaftschorle – trinkt und hinterher noch ein Eis leckt.
Meint jedenfalls Ihr Stephan Sunnus, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Harxheim - Gau-Bischofsheim
Evangelische Kirchengemeinde Harxheim - Gau-Bischofsheim
#MonatsImpuls April 2023
Mit oder ohne Kirche endgültig Abschied nehmen?
Liebe Leserinnen und Leser,
ich wundere mich. Oder auch nicht mehr. Nach einer kürzlich veröffentlichen Umfrage glauben 38 Prozent der Menschen an ein Leben nach dem Tod, 55 Prozent glauben dies nicht. Der Rest machte dazu keine Angaben. Also gut nur noch ein Drittel der Menschen in unserem Land glauben daran, dass nach dem Tod noch etwas kommt. Und darunter sind wohl auch einige, die sich als Christen bezeichnen oder zumindest noch in einer der beiden großen Kirchen sind (26 % katholisch, 23,5 % evangelisch).
Und ich beobachte vor Ort in meiner Gemeinde einen Trend, der mich etwas ratlos macht: Immer mehr Gemeindemitglieder lassen sich nicht mehr kirchlich beerdigen, kommen ohne Pfarrer und kirchliche Aussegnung aus. Ich frage mich, woran liegt das?
Aber klar, wenn immer mehr Menschen nicht mehr an ein Leben nach dem Tod glauben, dann brauchen sie wohl auch keine kirchliche Bestattung, die genau davon spricht. Es zeigt sich, dass die christlichen Kirchen als Anlaufpunkt für Menschen beim Thema Tod an Bedeutung verlieren. Ich finde das sehr bedauerlich.
Denn ich finde es tröstlich und hilfreich, bei einer Beerdigung von der Hoffnung zu reden, die über den Tod hinausgeht. Die uns ein Leben nahe bei Gott verheißt, bei dem wir unseren ewigen Frieden finden, der zurecht bringt, was hier auf Erden vielleicht schwierig war. Das Leben einer verstorbenen Person im Angesicht des Wortes Gottes zu würdigen, ihn in seine Hände zu übergeben und zu wissen, da ist er gut aufgehoben, das macht für mich das Besondere einer christlichen Beerdigung aus. Und natürlich auch den Angehörigen und Trauernden Trost zuzusprechen.
Ich halte das für eine der wichtigsten Aufgaben eines Pfarrers, einer Pfarrerin. Und ich komme dem, auch wenn es manchmal schwere und bedrückende Momente sind, gerne nach. Dafür bin ich Gemeindepfarrer geworden.
Wir haben kürzlich Ostern gefeiert. Das Fest der Auferstehung Jesu und der Auferstehung der Toten. Davon sollten wir nicht schweigen. Dafür ist die Botschaft zu einmalig und zu wunderbar: Gott ist bei uns - im Leben und nach unserem Leben hier auf Erden im Tod und Ewigkeit. Daran glaube ich.
Markus Weickardt, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Gensingen-Grolsheim
Evangelische Kirchengemeinde Gensingen-Grolsheim
#MonatsImpuls März 2023
Im Gespräch
Liebe Leserinnen und Leser,
gehören Sie zu den Personen, die manchmal mit Gegenständen sprechen? Wenn ein runtergefallener Tomatensuppen-Löffel ausgiebig beschimpft wird, ist das vielleicht ein brauchbares Ventil für den spontanen Ärger über die entstandene rote Schweinerei, gleichzeitig ist es „cringe" – ein bisschen peinlich. Ich möchte Sie heute anregen, mit Gegenständen in Ihrer Kirche ins Gespräch zu kommen. Dabei braucht ja niemand zuzuhören, und Gott versteht Sie schon (mehr lesen).
Naheliegend beim Betrachten von Kirchen ist der Gedanke, dass diese alten Steine schon viele erleichterte Dankgebete gehört und manche Träne gesehen haben. Vielleicht fühlt man sich deshalb oft gut aufgehoben in diesen besonderen Wänden. Natürlich schauen wir in der Regel auch den Altar an, sehen die Kerzen, die Bibel und die Blumen… Aber auf was ist Ihr Blick bei Ihrem letzten Kirchenbesuch noch gefallen? Auf ein besonderes Fenster? Oder einfach auf den Haken an der Vorderbank, der mal für Hut oder Handtasche angebracht wurde (und jetzt so quietscht, wenn Kinder ihn gelangweilt hin- und herbewegen)? Kommen Sie doch mal mit dem Fenster oder dem Haken ins Gespräch.
Der Haken könnte davon erzählen, dass in dieser Bank schon vieles seinen Platz gefunden hat. Erzählen Sie dem Haken, was Sie gerne innerlich aufräumen würden, was einen guten Platz, einen Haken braucht, damit es Sie nicht mehr umtreibt. Vielleicht ist so ein Hut-und-Handtaschen-Kirchenbank-Haken ein guter Gesprächspartner für solche Dinge.
Auf dem Foto hier sehen Sie ein Kirchenfenster neben der Orgel in der Johanneskirche Bingen, das für die Gemeinde kaum sichtbar ist, weil es sich auf der Empore und im Rücken der Gottesdienstbesucher befindet. Aber vom Altar aus fällt mein Blick immer auf dieses Fenster mit der Taube. Ich erzähle ihm von meiner Sorge um die ukrainischen Nachbarn, die jetzt mit ihren Kindern nach Kiew zurückgehen wollen und schicke die Friedenstaube mit dem Zweig in Gedanken und im Gebet mit ihnen. Hoffnung für den Neuanfang, obwohl die Tür des Schiffes nach der Sintflut noch zu ist.
Ich meckere über die nervige Person vorhin. Die Taube zeigt mir die vielen unterschiedlichen Tiere in der Arche von diesem Noah und fragt, ob ich tauschen wolle. Ich erinnere mich mal wieder, die Vielfalt des Lebens ist gewollt, auch wenn mich das manchmal anstrengt.
Haken- und Fenstergespräche in der Kirche. Kommen Sie doch mal mit einem Gegenstand in Ihrer Kirche ins Gespräch. Dabei braucht ja niemand zuzuhören, und Gott versteht Sie schon.
Tanja Brinkhaus-Bauer, Pfarrerin der evangelischen Johanneskirchengemeinde Bingen, März 2023
Evangelische Johanneskirchengemeinde Bingen
#MonatsImpuls Februar 2023
Leben und Glaube – ein großes "Strickwerk"
Liebe Leserinnen und Leser,
wer mich kennt, weiß, dass das Handarbeiten mir große Freude macht. Ungezählt sind die Tücher für Hals und Schulter, die ich schon gestrickt habe, und in der Pandemie habe ich mich wieder an kompliziertere Projekte gewagt: Socken oder Pullover mit Norwegermuster. Das Ergebnis erfreut nicht nur mich, sondern auch diejenigen, die von mir bestrickt werden. Mir selbst tut das Stricken einfach gut, denn es hilft mir Abstand von meinem Alltag zu bekommen und wahrzunehmen, was mich innerlich bewegt, und deshalb auch Ruhe zu bringen in meine Gedanken. Bei meinen ersten Schweigeexerzitien hatte ich Wolle und Nadeln dabei und habe entdeckt, wie meditativ Stricken sein kann. Masche für Masche, Reihe für Reihe. Geduld und Gelassenheit sind hilfreich, wenn ich ein Strickwerk beginne und vor allem zu Ende bringen möchte.
Denn nicht immer läuft alles glatt. Manchmal entdecke ich viele Reihen später einen Fehler und stehe dann vor der Entscheidung, durchaus auch mal verärgert oder frustriert, alles wieder aufzuziehen. Dann kräuselt sich die Wolle neben mir, und ich habe Mühe, sie ohne Knoten und Verwirrungen zurück aufs Knäul aufzuwickeln. Oder ich entscheide mich, den kleinen Fehler drin zu lassen. Schließlich ist es Handarbeit, die muss nicht perfekt sein, und vielleicht darf ich das ja zulassen oder sogar andere sehen lassen.
Erkennen Sie in diesen Strick-Erfahrungen auch Erfahrungen aus anderen Lebenssituationen? Manchmal denke ich, das Leben wie der Glaube sind wie ein großes Strickwerk. Verschiedenste Garne und Fäden, die ineinander gearbeitet werden. Mal schön und harmonisch, Muster in hellen Farben von einem guten Leben, und dann wieder: Aufgeribbeltes neu verarbeitet, kleine Knoten, die bleiben, dunkle oder blasse Farbtöne, Erinnerungen an Zeiten voller Sorge, Aufgeriebensein oder gar Krise. Manchmal gelingen die Dinge und gleiten geschmeidig durch die Hände, und dann wieder diese kraftraubende Anstrengung, schon wieder, neu anfangen zu müssen, um dann – hier und da wenigstens – mit Abstand festzustellen, dass es sich gelohnt hat, alles besser passt.
Geduld und Gelassenheit, das lehrt mich das Stricken. Gar nicht so einfach, dies an anderen Stellen des Lebens aufzubringen, dennoch so wichtig wie wohltuend, wenn sie gelingen. Man muss nicht Stricken, um dies zu erfahren. Das morgendliche Atem-Gebet oder das Innehalten am Abend, um die drei Freuden eines Tages einzusammeln, sind schöne Übungen, um das „Strickwerk“ des Lebens anzunehmen und zu gestalten. Wunderbar, wenn wir selbst immer wieder mit dem Blick auf das eigene Leben und die Welt sehen und erfahren: was für ein schönes Werk, trotz oder gerade wegen aller Arten von Fäden und Maschen.
Mögen wir daher immer wieder sagen können: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“ (Psalm 139, 14).
Elke Stein, Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Nieder-Olm, Februar 2023
Evangelische Kirchengemeinde Nieder-Olm
#MonatsImpuls Januar 2023

„Jetzt ist die Zeit!“ - Der Kirchentag als lebenslange Inspiration
Liebe Leserinnen und Leser,
es war im Frühjahr 1981. Helmut Schmidt war Bundeskanzler und an der innerdeutschen Grenze bedrohten sich die Machtblöcke mit immer neuen Raketen. Dagegen stellte sich die wachsende Friedensbewegung auf beiden Seiten der Mauer: „Schwerter zu Pflugscharen!“ stand auf den Aufnähern staatsunabhängigen Abrüstungsinitiativen in der DDR. „Umkehr zum Leben“ auf den lila Schals der Kirchentagsbewegung im Westen.
Einer, der diesen Schal ab Ende Mai 1981 auch im Schulunterricht trug, war ich – begeistert vom Deutschen Evangelischen Kirchentag, der 1981 in Hamburg stattfand. Mit mehr als 100.000 weiteren Dauerteilnehmer*innen tauchte ich für fünf Tage tief ein in die vielfältigen Diskussionen über Friedenspolitik, Gerechtigkeit, Glauben und Leben. Seitdem – immerhin 42 Jahre lang – ist der Kirchentag eine Kraftquelle für mein Leben, zunächst als Schüler, dann als Theologiestudent und seit 1994 als Vikar und Pfarrer. Von den 16 Kirchentagen einschließlich der ökumenischen habe ich nur zwei versäumt – da war ich Pfarrer in den USA und die Anreise doch zu weit.
Die Kirchentagsbewegung hat es geschafft, immer wieder die aktuellen gesellschaftlichen Themen aufzugreifen und mit der biblischen Tradition und der Praxis der Kirchen in einen produktiven Dialog zu bringen. So kontrovers auch auf den Podien des Kirchentages diskutiert wird – das war schon 1981 zwischen Helmut Schmidt als Befürworter und Erhard Eppler als Gegner neuer Atomraketen der NATO so -, so respektvoll werden die Meinungen der anderen gehört und bedacht. Das war beim letzten Kirchentag in Präsenz 2019 in Dortmund wieder der Fall, als die Flüchtlingsfrage im Mittelpunkt stand: Sollen wir alle, die im Mittelmeer unterwegs nach Europa sind, auffischen und an Land bringen? Und wenn ja, in welches Land?
Beim Kirchentag 2023, der vom 7. bis zum 11. Juni in Nürnberg stattfindet, geht es unter dem Motto „Jetzt ist die Zeit!“ wieder um Krieg und Frieden, aber mit ganz anderen Voraussetzungen als früher. Und die Frage der Klimagerechtigkeit wird auch von vielen Seiten bedacht werden.
Neben allen Welt-Themen machen die fünf Tage Kirchentag auch viel Spaß: Wenn spätabends in der Quartiersschule zur Gitarre gesungen wird, oder wenn, wie in Dresden 2011, sich eine übervolle Straßenbahn auf dem Weg zum Messegelände mit dem Kanon „Der Himmel geht über allen auf“ in einen mehrstimmigen Chor verwandelt.
Gerade für junge Menschen, die ihre Kirchengemeinde vor Ort eher langweilig finden (so wie ich mit 16), bietet der Kirchentag eine Fülle von Ideen, Motivation, Glaubensfreude, neuen Kontakten und Spaß. Das hält lange an!
Und daher begleite ich seit 2007 Gruppen aus unserem Dekanat zu den Kirchentagen. Für Nürnberg ist schon ein Doppelstock-Bus gebucht, der von Bingen bis Guntersblum Zustiegsmöglichkeiten bietet. Mitfahren können alle ab 16, in Begleitung von verantwortlichen Gemeindegliedern auch ab 14 Jahren. Näheres dazu unter ej-ingopp.de. Jetzt ist die Zeit – auf nach Nürnberg!
Wer sich schon vorher mit dem Thema auseinandersetzen will: Am 5.2. ist bundesweit Kirchentags-Sonntag. Vertreter*innen des Kirchentagspräsidiums sind an diesem Sonntag als Gastprediger unterwegs, so auch die Vizepräsidentin des Europa-Parlaments, Nicola Beer aus Frankfurt, die um 10:00 Uhr in der evangelischen Kirche zu Guntersblum predigen wird und im Anschluss zum Gespräch bereitsteht.
Johannes Hoffmann, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Guntersblum, Januar 2023
Evangelische Kirchengemeinde Guntersblum
#MonatsImpuls Dezember 2022

Das Potenzial des Senfkorns: Gedanken zu einer Grundhaltung christlichen Glaubens – gerade in dieser Weihnachtszeit
Liebe Leserin, lieber Leser,
so groß wie die Spitze einer Stecknadel ist der Samen des orientalischen Senf. Man braucht schon eine Lupe, um es sich genauer anzusehen und als ich es vor gut einem Jahr gepflanzt habe, habe ich mich schon gefragt, was daraus wohl werden wird? Und ehrlich, am Anfang hat es lange gedauert und über lange Zeit habe ich befürchtet, dass ich irgendwelches Unkraut aus der Blumenerde mühsam heranzüchte. Doch dann im Frühjahr habe ich es in den Garten gepflanzt und die Pflanze ist wahrlich explodiert – mittlerweile fast vier Meter hoch und überragt damit alles, was wir im Garten haben.
Jetzt verstehe ich, dass dieses kleine Samenkorn ein zentrales Beispiel für das Reich Gottes, aber für mich auch für unseren Glauben ist – so heißt es: Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte; das ist das kleinste unter allen Samenkörnern; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter und wird ein Baum, dass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen (Mt 13,31f).
Eine Erinnerung, was für ein Potential, was für eine Hoffnung uns Gott in seiner Botschaft, in seinem Evangelium zur Verfügung stellt. So klein und unscheinbar vieles doch ist, was wir als Kirche gerade tun und erleben, so groß und segensreich kann das alles wieder werden.
Dabei stecken für mich in diesem Vers noch zwei wichtige Gedanken:
Es braucht die Zeit des Wachsens
Ich gebe zu, auch ich bin eher ein ungeduldiger Mensch. Deswegen fällt es mir nicht leicht, dass sich viele Prozesse in der Kirche und der Gesellschaft gerade so mühsam hinziehen. Schnell denke ich auch an den starken Menschen, der jetzt mal sagt, wo es lang gehen soll und dann wäre alles klar.
Doch damit überzeugen wir Menschen kaum. Gewiss machen sie dann dieses und jenes, aber nicht von Herzen. Sie werden Auswege suchen und nur das Nötigste tun. Doch wenn wir uns Zeit dafür nehmen, damit neue Gedanken wachsen und reifen können, so können wir die Herzen der Menschen erreichen. Dann werden sie sich auch dafür engagieren und wir erreichen auf lange Sicht wesentlich mehr Menschen, denn so ein Prozess ist eben nachhaltig und verwurzelt.
Die Vögel wohnen in den Zweigen
Das Beispiel erinnert mich außerdem daran, dass wir solch ein Wachstum nicht um unserer selbst, sondern um der anderen Menschen erstreben. Gerade im Hinblick auf die Veränderungen im kirchlichen Bereich ist mir dieser Gedanke sehr wichtig. Wir sind doch nicht Kirche um unseretwillen, sondern um des Evangeliums und seiner Verkündigung willen. Und wenn sich Dinge verändern, gilt es weiter zu wachsen, sich zu entwickeln, neue Knospen anzusetzen, aber auch alte Triebe und trockene Äste abzuschneiden. Wenn uns die Menschen, Gottes Geschöpfe, am Herzen liegen und vor Augen stehen, dann werden wir wieder neu wachsen und Gottes Segen erfahren.
All das geht mir durch den Kopf – gerade in dieser Weihnachtszeit. Denn wir feiern das Kommen Gottes vor gut 2000 Jahren – nicht als einen großen Herrscher, sondern als kleines, unscheinbares Kind, das in Bethlehem in einem Stall zur Welt gekommen ist und von dem die große Welt damals kaum Notiz genommen hat. Doch nach und nach ist es gewachsen und offenbarte sich als der Sohn Gottes. Der sich Zeit nahm, um seine Botschaft Jüngerinnen und Jüngern zu erklären, der dann aber nicht um seiner selbst willen gelebt hat, sondern um unseretwillen am Kreuz starb und von Gott wieder auferweckt wurde – und am Ende der Tage wiederkommen wird.
Das kleine Kind in der Krippe wurde somit zum Retter dieser Welt – das können wir auch in diesem Jahr wieder feiern. Ich wünsche Ihnen eine frohe und gesegnete Weihnachtszeit.
Pfarrer Olliver Zobel, Dekan des Evangelischen Dekanats Ingelheim-Oppenheim, Dezember 2022
Evangelisches Dekanat Ingelheim-Oppenheim
#MonatsImpuls November 2022

Ein Ausflug zu den Kirchen und Klöstern Armeniens
Ende September hatten meine Frau und ich Gelegenheit, mit einer kleinen Reisegruppe für eine Woche durch Armenien zu reisen. Wir hatten schon länger davon geträumt, dieses geschichtsträchtige Land mit seinen Kirchen und Klöstern, seiner schroff-schönen Gebirgslandschaft und seiner geschmackvollen Küche näher kennenzulernen.
Ein erster Ausflug führte uns zu den Ruinen der Palastkirche in Zvarthnots am Fuß des Berg Ararats. Von der Kirche und dem Palast des Kirchenoberhaupts ist nicht mehr viel zu sehen. Die Anlage wurde im Jahr 930 Opfer eines Erdbebens und später nicht wieder aufgebaut. Archäologen vermuten, dass das Gotteshaus einmal dreistöckig gewesen ist. So wie die Arche Noah, die auf dem nahegelegenen Berg in der heutigen Türkei am Ende der Sintflut strandete. Eine Kirche wie das dreistöckige Schiff, der große Kasten, der das Überleben von Mensch und Tier nach der Katastrophe garantieren soll. Auf engem Raum eingezwängt, von allen Seiten bedroht und auf Gottes Güte angewiesen. So sieht und erfährt sich die armenische Kirche bis heute. Sie gehört zu den ältesten christlichen Kirchen überhaupt. Bartholomäus und Thaddäus, zwei Jünger Jesu, sollen sie vor Zeiten auf ihrem Weg nach Indien gegründet haben. Bereits im Jahr 301 wurde das Christentum hier Staatsreligion. Weltweit soll es rund 10 Millionen Armenier geben. Davon leben gerade mal 3,5 Millionen im eigenen Land.
Die Nachbarn Armeniens, das in früheren Zeiten zehnmal so groß gewesen sein soll, sind heute Georgien, Aserbaidschan, die Türkei und der Iran. Der Berg Ararat liegt inzwischen auf türkischem Staatsgebiet. In einer gut siebentägigen Exkursion kann man den über fünftausend Meter hohen Gipfel besteigen. Bis heute ist der sagenumwobene Berg im Nationalwappen Armeniens zu sehen. So wird die biblische Geschichte wachgehalten: trotz allem menschlichen Versagens gibt es eine zweite Chance für die Schöpfung. Mensch und Tier sollen miteinander überleben, so der erklärte Wille Gottes: „Es sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ (1. Mose 8, 22). Die Arche Noah ist auch ein Bild für die christliche Kirche, die nach wie vor unterwegs ist, manchen Stürmen ausgesetzt und immer wieder zu neuen Ufern aufbrechen muss. So wie wir gegenwärtig in Hessen und Nassau. Angesichts zurück gehender Mitgliederzahlen und geringer werdendem Personal gilt es über den eigenen Kirchturm hinaus zu schauen und neue Formen der Gemeindearbeit auszuprobieren.
Die armenische Kirche ist klein und alt, immer wieder bedroht und verfolgt, angegriffen und in die Enge getrieben. Sie ist aber auch entschlossen, zu überleben und das Versprechen Gottes für die ganze Schöpfung wach zu halten trotz aller Hindernisse und Herausforderungen. Die imposante Kirche von Zvarthnots ist durch ein Erdbeben zerstört worden. Von dem großen Gebäude sind nur wenige Säulen und Steine übrig geblieben. Doch das Modell dieser Kirche kann man vor dem Nationalmuseum in Eriwan bewundern: ein dreistöckiger Kasten, der auf engem Raum vielen Menschen und vielen Tieren Platz bietet und auf ein Weiterleben trotz allem hoffen lässt. Gott sei Dank.
Peter Fleckenstein, Pfarrer der evangelischen Versöhungskirchengemeinde Ingelheim, November 2022
Evangelische Versöhungskirchengemeinde Ingelheim
#MonatsImpuls Oktober 2022

"Die Zukunft war früher auch besser!“"
In diesen Tagen des Krieges in der Ukraine, der immer neuen Bilder von Zerstörung und Leid, lässt sich schwer Gutes finden. Die Verteuerung von Energie und Lebensmitteln stellt viele vor große Probleme. Zudem steigen gerade wieder die Covid-19 Fallzahlen. Kommen nun die Maßnahmen der vergangenen zwei Jahre zurück? Abstandhalten, Hygiene beachten, Maske aufsetzen und vielleicht sogar allein daheim hocken? Nach dieser ganzen Zeit des „Lockdown“, die wir alle erlebt haben, würde man doch gern wieder zur Normalität zurückkehren und mit anderen einfach mal wieder fröhlich zusammensitzen. – So, wie früher. – Früher, so geht es einem durch den Kopf, war alles besser. Und während man das denkt, erhebt sich der Widerstand in einem selbst. War früher wirklich alles besser?
Den Münchner Komiker Karl Valentin bewegte diese Frage zu der etwas provokativen Aussage: „Früher war alles besser - die Zukunft war früher auch besser!“ Ein Lacher für sein Publikum und eine grandiose Antwort. Jeder, der die Vergangenheit mit verklärten Augen betrachtet, wird zugeben müssen, dass er sich selbst damals Hoffnung auf eine gute Zukunft gemacht hat.
Wie sehe ich mein eigenes Leben? Kommen da nicht manchmal die Gedanken an Zeiten, in denen ich körperlich fitter, geistig agiler und auch hoffnungsvoller war, weil mir in meinen Träumen die Welt noch offenstand? Wie viele Möglichkeiten hatte ich damals, mein Leben in so viele Richtungen zu lenken? Letztlich musste jeder von uns Entscheidungen treffen, die zugleich unsere Auswahlmöglichkeiten einschränkten. Alle Entscheidungen waren mit Bedingungen und Konsequenzen verknüpft. Einen Beruf zu ergreifen, bedeutete gleichzeitig, sich an Termine zu halten, Aufgaben erledigen zu müssen und die Freizeit oder die Familie den beruflichen Erfordernissen unterzuordnen. „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“ Wir haben also in der Regel in der Vergangenheit Entscheidungen getroffen, mit denen wir die Zukunft zu unserer Gegenwart gemacht haben. Gleichzeitig müssen wir erkennen, dass es Menschen unter uns gibt, die sagen würden, dass sie nie die Möglichkeiten hatten, Entscheidungen zu treffen. Da geht es um schwere Schicksalsschläge und oft um Tragödien.
Als Christen sind wir uns dessen bewusst, dass da Menschen neben uns leben, die unsere Hilfe brauchen. „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.“ Wir haben mit diesen Worten von Jesus Christus gelernt, dass wir uns derer annehmen sollen, die unsere Unterstützung dringend benötigen. Daher ist es unsere Aufgabe, die Gegenwart mit offenen Augen zu sehen, um die Zukunft gemeinsam zu gestalten. Manches ist dabei nicht einfach. Jesus Christus sagt: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ (Lukas 9, 62)
Jesus selbst ist einen schweren Weg gegangen. Er, der sich mit seinen Jüngern um Kranke und Bedürftige gekümmert hat, der den Verzweifelten Hoffnung zugesprochen hat, ging seinen Weg bis Golgatha, bis ans Kreuz. „Früher war alles besser“, klingt hier absurd und völlig deplatziert. Es war die Entscheidung Jesu Christi, seinen Weg konsequent bis ans Ende zu gehen.
Die Jünger, die am Karfreitag völlig fassungslos waren und womöglich glaubten, dass alles umsonst war und am Ende die Gewalt gesiegt hat, werden am Ostersonntag eines Besseren belehrt. Durch schwere Zeiten hindurch bleibt die Botschaft Jesu Christi bestehen und sein Wort gilt auch für uns heute in diesen scheinbar trüben Tagen. Jesus Christus spricht: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“
So wünsche ich Ihnen einen hoffnungsvollen Blick nach vorne,
Ihr Thomas Stegmann, Pfarrer in Mommenheim-Lörzweiler, Oktober 2022
#MonatsImpuls September 2022
"Bildung heißt, sich als Bild Gottes zu verwirklichen und würdig zu erweisen"
»Manchmal braucht es einen langen Atem und viel Geduld!« So könnte das Résumé einer Lehrerin, eines Lehrers klingen. Auf Hildegard von Bingen trifft es in jedem Fall zu, denn es dauerte rund 800 Jahre, bis sie offiziell die Würdigung erhielt, die ihr in der religiösen Praxis vieler Gläubiger längst gebührte. Beinahe auf den Tag genau zehn Jahre ist das jetzt her: Am 7. Oktober 2012 erhob Papst Benedikt XVI. Hildegard von Bingen zur Kirchenlehrerin. Seither mischt sie mit im Konzert der großen Theologen, als eine von vier Frauen. »Scivias« – »Wisse die Wege (des Herrn)«. So heißt ihr erstes und bekanntestes Werk. Und mit diesem Anliegen bringt sie auf den Punkt, welches Ziel Bildung hat: Kenntnis. Kenntnis darüber, wie der Mensch sich als Bild Gottes verwirklicht und würdig erweist. Aber auf welche Weise kann ein solcher Bildungsweg gelingen?
»Wenn Hildegard heute eine Schule gründen würde…« Schülerinnen einer zehnten Klasse haben vor zwei Jahren am Hildegardistag genau darüber nachgedacht. Schnell waren sie sich darüber einig, dass an Hildegards Schule wohl ein recht umfassender Fächerkanon gelehrt werden würde. Ein Unterricht, der den Menschen als Ganzes in den Blick nähme. Und dass es Hildegard wohl wichtig wäre, diejenigen besonders zu fördern, die es in der Gesellschaft mit der gleichberechtigten Anerkennung schwer haben. Die Schülerinnen stellten sich eine Schule vor, die Kopf, Herz und Hand fordert und fördert. Eine Schule, in der junge Menschen ermutigt werden, ihrem Herzen zu folgen, ihre Stimme zu erheben, Konventionen zu hinterfragen und sich hier und da durchaus auch den Gepflogenheiten zu widersetzen, also: einzustehen für ihre Überzeugungen und sich nicht von scheinbar Mächtigen einschüchtern zu lassen.
Hildegard ist diesen Weg gegangen. Einen Weg durch die Welt hindurch hin zu Gott – davon war sie überzeugt. Und unterwegs gestaltete sie diese Welt in der tiefen Gewissheit, Gottes Ebenbild zu sein.
Braucht unsere Welt nicht genau das: junge Menschen, die gebildet verantwortlich die Welt um sich herum formen?
Wie nachvollziehbar ist es darum, dass auch Schulen den Namen Hildegards tragen. Und es liegt an uns, dass aus dem Nomen dann auch ein Omen wird. Auch das ein Bildungsweg, bei dem sicher ist: Manchmal braucht es einen langen Atem und Geduld.
Julia Kalbhenn, Schulpfarrerin an der Hildegardisschule in Bingen, September 2022
#MonatsImpuls August 2022

"Wozu Sie nicht in die Kirche gehen sollten..."
„Man weiß ja, was alles in die Kirche geht“ denkt sich Therese Krumbholz nachdem sie im Wiener Stephansdom vor dem Abendmahlsbild gesessen hat. „Lauter Verbrecher!“ Im Altarbild hat sie in Jesus ihren angehimmelten Möbelverkäufer Grob gesehen. Ihr von ihr verachteter Ehemann, Professor Kien, hat sie dagegen im Judas entdeckt. Solche und andere Verdrehungen schildert Elias Canetti in seinem 1935 erschienenen Jahrhundertroman „Die Blendung“.
Die vermeintlich fromme Therese, die gerade eine Million geerbt hat, geht in den Dom, um sich selbst groß zu fühlen. Sie sieht in dem Abendmahlsbild das, was sie sehen möchte. Sich selbst sieht sie in der Taube, die über Jesus schwebt. Von sich selbst ist Therese so ganz eingenommen, geblendet. „Lauter Verbrecher!“ empört sie sich. Sie ist unfähig zu sehen, was sie selbst anrichtet. Sündenbewusstsein? Von wegen!
„Es wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.“ Das sagt Jesus am Ende der Gleichnisse vom verlorenen Schaf und vom verlorenen Groschen. Ein wiedergefundenes Schaf entfacht mehr Freude, als 99 Schafe, die brav auf der Weide grasen. Ein Sünder, der sein Leben ändert und umkehrt, macht mehr Freude, als 99 Gerechte, die nicht umkehren müssen.
Sich selbst als Sünder zu sehen, setzt Mut und Selbsterkenntnis voraus. Auch die Bereitschaft, sich von Gott so ansehen zu lassen, wie wir sind. Heutzutage sprechen wir nicht mehr gerne von uns als Sünder. Martin Luther war da lockerer. Er sagte: „Wir sind Sünder allzumal.“ Wir sind Menschen mit Fehlern und Schwächen. Da hilft die perfekteste Selbstoptimierung nicht. Im Gegenteil: der Versuch, perfekt sein zu wollen, bringt uns schon auf die falsche Spur.
Wir sind Sünder allzumal! Und die Engel Gottes, ja, Gott selbst freut sich über jeden, der das sieht und versucht, es besser zu machen, ohne perfekt sein zu wollen.
Das singen wir im Gottesdienst bald nach dem Sündenbekenntnis: “Ehre sei Gott in der Höhe und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen!“ Ursprünglich war dieses Lob ein Jubel, der uns über uns selbst hinaushebt. Ein Himmels-Schrei, der der Freude im Himmel über unsere Umkehr entspricht.
„Man weiß ja, was alles in die Kirche geht.“ Genau: Menschen, die eine Sehnsucht haben, so gesehen und akzeptiert zu werden, wie sie sind. Gottes geliebte Sünder und Kinder!
Deshalb ist mein Lieblingsort der Gottesdienst – in welcher Kirche auch immer.
Ralf Feilen, Pfarrer in Horrweiler-Aspisheim, Vakanzvertreter in Bingen-Büdesheim und Appenheim, August 2022
#MonatsImpuls Juli 2022

"Sternstunden"
Sternstunden in der Gemeindearbeit – das sind für mich Besuche, bei denen mich Menschen von sich aus auf Gott ansprechen. Wenn sie wissen wollen, wie ist das mit Gott, wer ist Gott eigentlich für Sie?
Ja – und was sage ich dann? Wer ist Gott für mich? Ich weiß es nicht. Ganz provozierend und auf die Gefahr hin, dass meine Gesprächs-partner enttäuscht sind, muss ich das als erste Antwort sagen. Genauer muss ich sagen: Ich weiß es oft nicht, jedenfalls nicht so, wie manche erwarten, ich müsste es als Pfarrerin doch wissen.
An einem Sommertag, an dem unsere Weinberge in einem satten Grün leuchten mit ihren üppigen Trauben, und der weite Himmel sich darüber spannt, da meine ich zu wissen, wer Gott ist: der Urgrund und Schöpfer des Lebens, dem wir ein Loblied singen sollten an jedem Morgen, den er uns auf seiner Erde schenkt.
Und wenn ich zwei Menschen, die sich lieben, kirchlich trauen, ihnen den Segen Gottes zusprechen darf, wenn ich spüre, wie zuversichtlich nahe sie sich sind, dann weiß ich es wieder: der einem Menschen den Anderen gibt, der ist Gott. Denn es ist kein blinder Zufall, dass sich Wege von Menschen begegnen.
Aber da sind ja auch die anderen Bilder. Ich brauche keines davon näher zu beschreiben, sie sind uns vor Augen und haben sich uns schrecklich eingegraben: Kriegsgemetzel und Flutwellen, zerbombte Häuser und verhungernde Kinder. Das Bild gequälter Menschen, der leidenden Schöpfung, der seufzenden Kreatur – und schon weiß ich nicht mehr, wer Gott ist. Wer ist er? Liebhaber oder Vernichter des Lebens? Und ist es dann nicht besser zu denken, er sei gar nicht? Es gäbe ihn gar nicht? Ist das nicht einfacher und auch redlicher?
Ich spreche immer wieder mit Menschen, die auf Gott ganz bewusst verzichten. Die gleichgültig geworden sind oder müde an der uralten Frage: Wie kann es einen Gott geben, der das alles zulässt, was an Schrecklichem geschieht, Tag für Tag?! Oder Menschen, die resigniert und enttäuscht sind von denen, die so leichtfertig von Gott reden – auch das sympathische, ernsthafte Menschen, die ihr Leben meistern und bestehen wie Christen auch.
Was also hat Gott mit mir zu tun? Ich muss bei dieser Frage an jenes Lied eines glücklichen Menschen denken, das mit einem Bild beginnt: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln…“ Und mitten drin, dort wo es ernst wird, im finsteren Tal, taucht plötzlich das „Du“ auf: „Du bist bei mir.“
Wenn mich jemand fragen würde, woran ich denke, wenn ich an Gott denke, dann könnte ich zuversichtlich antworten: Ich denke an Jesus von Nazareth. Wenn ich die Hand Gottes spüren will, dann sehe ich auf die Hände von Jesus. Und wenn ich hören will, was Gott sagt, dann höre ich auf die Worte: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch neue Kraft geben.“
Und wenn ich merke, wie mir Zeit und Kraft unter den Händen zerrinnen, dann sehe ich auf den, bei dem Tod und Leben ganz nah beisammen sind.
Wer ist Gott? Ich weiß es nicht, habe ich zu Anfang gesagt. Ich weiß es oft nicht, ich weiß es nicht so, wie mein Verstand es wissen will. Aber manchmal wenigstens weiß ich es anders: schöner, helfender, menschlicher als mein Verstand es erfassen kann. Ich sehe Jesus Christus bei denen, die ihn brauchen, die ganz und gar auf ihn angewiesen sind.
Und wenn Menschen sich öffnen und wir uns darüber austauschen können – das sind für mich Sternstunden meiner Gemeindearbeit.
Pfarrerin Jasmin Gabel, Kirchengemeinde Guntersblum, Juli 2022
#MonatsImpuls Juni 2022

"Und sie kommen von Westen und Osten, von Norden und von Süden..."
Die ersten sind meistens die Kirchenvorstände, um alles vorzubereiten. Dann treffen die ersten Autos ein, suchen Parkplätze am Wegrand. Zwischendurch kommen die Wanderer aus Bubenheim und Engelstadt, die schon eine knappe Stunde unterwegs waren. Von Süden her treffen nach und nach auch die Menschen aus Jugenheim und Partenheim ein. Bänke sind aufgestellt, bei schönem Wetter schützen Sonnenschirme die Menschen. Tische werden hinzugepackt, auf denen sich Weck, Worscht und Wein tummeln.
Ein kleiner Altar entsteht am Wegrand, ein Kreuz, ein paar Blumen, sehr häufig Taufgeschirr und Taufkerzen. Um halb elf sind dann alle da. Haben ihren Platz gefunden und schauen … zum Friedenskreuz. Mitte der 90er Jahre ist es entstanden auf Anregung von einem Jugenheimer Bürger und aufgestellt wurde es von einem Jugenheimer Unternehmen mit Engelstadter Wurzeln. Damit begann auch die Zeit, in der wir dort am Friedenskreuz auf dem Bleichkopf regelmäßig am ersten Sonntag im Juni und am dritten Sonntag im September anfingen, Gottesdienste zu feiern.
Die Menschen kamen aus den Dörfern rund um den Bleichkopf und tun es bis heute gerne. Bei schönem Wetter sind es oft mehr als hundert Gäste, die wir im Gottesdienst empfangen können. Meistens kommen auch Tauffamilien auf uns zu, um dort ihre Kinder taufen zu lassen und selbst eine Trauung konnte ich dort bei schönstem Wetter durchführen. Immer wieder machen Wanderer dort Halt und verweilen unter dem Friedenskreuz, das seit nunmehr über 25 Jahren die Menschen aus dem unteren Selztal an den Frieden gemahnt.
Und sie kommen zusammen aus Westen und Osten, von Norden und Süden. Weil dieser Ort, so nah er auch an unseren Dörfern ist, doch den Blick in die Ferne schweifen lässt und das Nahe dem Blick etwas entrückt. Als könnte man innerlich etwas zurücktreten und sich an der Weite unserer rheinhessischen Kulturlandschaft erfreuen. Und wie schön ist es im Herbst, hinter sich die Weinstöcke mit den reifen Trauben, und man kann immer wieder auch etwas genießen. Es ist tatsächlich mit den Jahren ein Ort des Friedens geworden mit dem Kreuz, das in den Himmel ragt und Menschen zusammenführt zu Andacht und Meditation, aber auch zum Essen und Trinken am großen Tisch des Herrn.
Im Kleinen erlebe ich hier, was ich mir für das Große unserer Welt wünsche: den Frieden, der die Menschen zusammenbringt aus den verschiedenen Himmelsrichtungen und der aus Nachbarn Freunde werden lässt. Auch wenn wir in diesem Jahr an Pfingsten nicht am Friedenskreuz sein konnten, im Herbst jedoch pilgern wir wieder zu Fuß, mit dem Rad oder dem Auto hin zu dem Ort, wo der Friede Menschen zusammenführt an den einen Tisch. Das Friedenskreuz – mein Sehnsuchtsort!
Hartmut Lotz, Pfarrer von Bubenheim und Engelstadt und Inhaber der Profilstelle für Mission und Ökumene im Dekanat Ingelheim-Oppenheim, Juni 2022
Evangelische Kirchengemeinde Bubenheim und Engelstadt
#MonatsImpuls Mai 2022

"Ein Zeichen der Gemeinschaft in schwierigen Zeiten..."
Ein liebevoll gedeckter Tisch im Garten, ein duftender Brotlaib, etwas Käse, Oliven. Menschen, die sich um den Tisch versammeln, das Brot miteinander teilen, gemeinsam essen, erzählen, lachen - Tischgemeinschaft im besten Sinne dieses Wortes. Wie letzten Sonntag, als wir in Nieder-Olm unsere langjährige Chorleiterin verabschieden mussten und im Anschluss mit den Weggefährten noch im Pfarrgarten zusammenkamen. Erinnerungen wurden ausgetauscht, das gemeinsam über die Jahre Erlebte wieder lebendig, trotz zweier Coronajahre, in denen die Gemeinsamkeit eingefroren schien. Weggemeinschaft, die am Schicksal des Anderen Anteil nimmt, einander schätzt und ernstnimmt, die aber auch fröhlich und ausgelassen miteinander feiert. Ich liebe diese gemeinsamen Momente, das Gemeinsam-am-Tisch-Sitzen, das Erinnern, Geschichten erzählen und deshalb gehören solche gemeinsamen "Tafeln" zu meinen Lieblingsplätzen.
Zugegeben, gemeinsam am Tisch zu sitzen ist nicht immer so entspannt. Wenn man gerade kleine Kinder in der Trotzphase hat, in der gefühlt bei jedem Essen ein Teller zu Bruch geht; oder pubertierende Teenager, die sich aus der Enge der Familiengemeinschaft herauslösen wollen in die Weite des Freundeskreises – gemeinsames Essen ist nicht in jeder Lebensphase gemütlich und eitel Sonnenschein. Aber auch in dieser Zeit gibt es sie, diese Momente beim gemeinsamen Essen, wo sich schweigsame Jugendliche plötzlich öffnen und erzählen, wo mit kleinen Kindern herzhaft gelacht wird - wo Gemeinschaft in der Familie und über sie hinaus spürbar wird.
In unserer christlichen Tradition ist dieses gemeinsame Essen tief verankert: Von Jesus selbst sind viele Mahl-Geschichten überliefert, wie er mit den Frauen, Männern und Kindern, die ihm folgten, gemeinsam das Brot teilte und die Gemeinschaft feierte. Bis hin zu diesem letzten Mahl, an dem Jesus sein Schicksal mit dem Teilen von Brot und Wein verband: So, wie er Brot und Wein verteilte unter seinen Jüngern, so würde er sich selbst, sein Leben hingeben, für sie – für uns alle. Und zur Erinnerung daran der Auftrag: Teilt Brot und Wein miteinander! Das Abendmahl ist seither für alle Christen Sakrament – heilige Handlung.
Wie schade, dass wir Christen evangelischer und katholischer Konfession anstelle der Gemeinschaft im Teilen des Brotes oft viel stärker das Trennende betonen. Wie schade, dass in der Vergangenheit die Kirchen das jeweils „rechte Verständnis vom Abendmahl“ zur Bedingung machten, es gemeinsam zu feiern. Die Kirchen evangelischer Prägung haben diese Trennung schon länger überwunden. Reformierte und Lutherische Gemeinden feiern gemeinsam. Wann wird auch in der katholischen Kirche die Eucharistiefeier, wie das Abendmahl dort heißt, auch für evangelische Christen geöffnet werden?
In Nieder-Olm freuen wir uns an einer sehr lebendigen und offenen Ökumene. Hier werden wir an Pfingstmontag ein besonderes ökumenisches Mahl miteinander feiern: wir laden ein zum ÖkumenTisch. An einer langen Tafel mitten auf der Hauptstraße im Ort, die zu diesem Anlass für den Autoverkehr gesperrt wird, sind alle willkommen, miteinander zu essen, zu trinken und Gemeinschaft zu erleben. Für Kinder wird extra eine Hüpfburg aufgebaut und das Oasenmobil unseres Dekanates mit seinen vielfältigen Spielangeboten macht Station am ÖkumenTisch.
Ich freue mich über dieses Zeichen der Gemeinschaft in schwierigen Zeiten. Ich freue mich, Menschen unterschiedlichster religiöser und kultureller Herkunft an einen Tisch zu holen, und gemeinsam den Pfingstmontag, das Fest des Heiligen Geistes, fröhlich zu feiern.Treffen wir uns dort? Oder vielleicht auch beim Dekanatsfest an der Ingelheimer Burgkirche am 10. Juli 2022. Hier ist im Rosengärtchen viel Platz um uns gemeinsam an einen Tisch zu setzen und fröhlich miteinander auszutauschen. Das würde mich freuen.
Herzlichst, Ihre Pfarrerin und stellvertretende Dekanin Julia Freund, Mai 2022
#MonatsImpuls April 2022

"... solange die Erde besteht!"
Drei Tage mit den Konfirmanden. Wir bereiten den Vorstellungsgottesdienst vor. Was bin ich froh, dass das Wetter gut ist und wir draußen sein können.
Draußen – das meint: Im Garten hinter dem Gemeindehaus, auf der grünen Wiese und unter den vielen Lindenbäumen, die gerade austreiben. 23 Jugendliche, Konfirmanden und Teamer, beschäftigen sich unter Gottes blauem Himmel mit IHM und mit sich und beiden zusammen. Nie ist die Wiese übrigens so schön wie im April. Den Sommer über verbrennt die heiße Sonne den Rasen schier; und der nasse Winter setzt ihm gewaltig zu und macht es den Resten schwer. Aber jetzt im April wächst er mit einem solchen frischen Grün und saftigen Halmen in unbeschreiblicher Geschwindigkeit aus dem Boden.
In diesem Jahr frage ich mich, haben wir einen grünen Rasen oder eine weiß-gelbe Gänseblümchenwiese? Es ist so schön!
Sie wundern sich vielleicht darüber, wie ausschweifend jemand über Grashalme und Gänseblümchen werden kann. Aber gerade in diesem Jahr empfinde ich den Segen so besonders, den mir das alles vermittelt. Den Segen aus dieser Verheißung, die Gott uns wissen lässt: „Von nun an soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht, solange die Erde besteht!“ (1. Mose 8,22)
Von „Beständigkeit“ höre ich in diesem Vers; das tut gut. Und ich weiß es wieder neu, weil ich es ja wirklich vor Augen habe: „Da gibt es eine gute Ordnung.“ Daran halte ich mich von Herzen gerne fest.
... und was tut Ihnen in diesen Tagen wohl?
Ihre Pfarrerin Nowak-Neubert, April 2022
#MonatsImpuls März 2022

"Das Unerwartete planen?"
Ein kleines Geschenk habe ich besorgt, die Grußkarte ist unterschrieben. Beides packe ich in meine Tasche. Gemeinsam mit einer Freundin mache ich mich auf den Weg zu einem Überraschungsbesuch. Wir starten früh, denn wir wollen rechtzeitig bei unserem Bekannten ankommen. Auf einmal, wird sind schon kurz vor dem Ziel, tun sich bei uns Fragen auf. Er erwartet uns nicht. Wird er uns überhaupt reinlassen? Obwohl wir gut geplant haben, kreisen auf einmal die Gedanken. Zweifel kommen auf.
Ähnlich ergeht es Maria Magdalena, Maria und Salome. Sie wollen einem guten Vertrauten noch einen letzten Dienst tun. Sie möchten seinen Leichnam salben. Wohlriechende Öle haben die drei Frauen gekauft. Früh am Morgen – so früh wie möglich – brechen sie auf. Sie sind gut vorbereitet und haben ihr Vorhaben fest im Blick. Oder etwa doch nicht?
Denn den drei Frauen kommt auf einmal der Stein in den Sinn. Der Stein, der vor dem Grab liegt. Groß und schwer. Sie selbst können ihn nicht bewegen. Ein scheinbar unüberwindbares Hindernis. Und sie sprachen untereinander: „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“
Ich fühle mit Maria Magdalena, Maria und Salome und stelle mir vor, wie auf einmal ihr Herz schwer wird. War es nicht schon traurig und schwer genug, dass ein geliebter Mensch gestorben ist? Ein Mensch, mit dem sie sich verbunden fühlten. Dem sie nachgefolgt sind. Der ihnen erzählt hat, dass er das Leben sei.
Noch einmal wollen sie ihn sehen. Ihn mit wohlriechenden Ölen einbalsamieren. Und nun scheint es, als müssten sie auch diese Hoffnung begraben. Jetzt, wo sie doch schon am Grab angekommen sind. Und das, obwohl sie all das getan haben, was in ihrer Hand lag. Die Frage lastet schwer: „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“ Und dann das. Sie sehen hin und entdecken. Es ist alles anders. So unverhofft. Der Stein ist bereits weggewälzt.
Sie gehen hinein in das Grab. Doch auch dort finden sie nicht das, was sie erwartet haben. Was ihnen dort begegnet, lässt sie erschrecken. Im Grab sehen sie einen Jüngling mit weißem Gewand, der zu ihnen spricht. Seine Worte können sie nur schwer fassen: „Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier…“ Die Worte des Jünglings beruhigen sie nicht. Die Frauen dachten, sie seien gut vorbereitet und sind es doch nicht. Sie rechneten einen Toten zu finden und die Nachricht, dass Jesus auferstanden sei, überforderte sie. Die drei Frauen fürchten sich und laufen weg vom Grab.
Sehr menschlich ist das Verhalten der Frauen. Übersteigt das Gesehene doch das, was sie sich vorstellen können. Das kann durchaus Angst machen. Nichtsdestotrotz lässt uns diese Ostergeschichte aus dem Markusevangelium (Mk 16,1-8) neu hoffen. Sie erweitert den Horizont. Sie lässt uns über das, was wir mit unserer Vernunft erfassen können, hinausschauen. Sie ermutigt uns, unsere Herzen offen zu halten für das Unerwartete. Sie spendet Trost, dass wir nicht auf alles vorbereitet sein können und müssen.
Denn sie zeigt uns die große Botschaft, die Maria Magdalena, Maria und Salome erschüttert: Jesus hat den Tod überwunden. Der Tod ist nicht das Letzte. Jesus ist auferstanden. Halleluja!
Ihre Pfarrerin Heike Corell, März 2022
Evangelische Johanneskirchengemeinde und evangelische Christuskirchengemeinde Bingen
#MonatsImpuls Februar 2022

"Warum ich das tägliche Gebet auf meiner To-Do-Liste habe..."
Ich liebe Listen. Listen bringen Ordnung ins Chaos. Ich brauche das, denn wenn ich mir etwas nicht aufschreibe, dann vergesse ich es. Auch wenn ich mir noch so viele Mühe gebe, schon wenige Minuten später ist es weg. Aus den Augen – aus dem Sinn. Deshalb schreibe ich mir alles auf. Dann funktioniert es. Auf meinem PC habe ich eine To-Do-Liste mit zehn verschiedenen Bereichen, auf denen ich alles detailliert aufschreibe, markiere und dann auch lösche. So gelingt der Alltag, zumindest bei mir.
„Hört nicht auf, zu beten und zu flehen! Betet jederzeit im Geist; seid wachsam, harrt aus und bittet für alle Heiligen.“ (Epheser 6,18 – Monatsspruch für den März 2022)
Oft komme ich morgens ins Büro gestürzt, schalte den PC an und lege los. Und vergesse mal wieder etwas ganz Wichtiges: Mein tägliches Gebet. Deshalb erinnert mich auch daran meine To-Do Liste. Und für dieses Gebet habe ich dann auch noch eine Liste angelegt – in einem kleinen Buch: Eine Gebetsliste. Dort schreibe ich mir auf, für wen ich ab wann ein Jahr lang täglich beten möchte. Manchmal kommt der Impuls von außen: Eine Mutter, deren Kind Corona hat, schreibt mir unerwartet, ich möge das Kind in mein Gebet aufnehmen. Manchmal kommt der Impuls aber auch von mir: Nach einem Gespräch denke ich mir, es wäre sinnvoll, die Sorgen eines Menschen an Gott weiterzugeben.
Aber warum tue ich das ein Jahr lang? Einfach so, denn ich glaube, es tut gut, eine Person vor Gott und auch vor mich selbst zu bringen. Und zwar beharrlich, täglich. Damit es eben nicht so leicht vergessen geht. Oft bedarf es gar keiner großen Worte. Das Gebet ist eben nicht „nur der Ort, an dem wir pausenlos zu Gott reden (um nicht zu sagen: auf Gott einreden), sondern auch ein Ort, an dem wir schweigen, lauschen und nachdenken.“[1] Das regelmäßige Gebet ist also auch nicht für die Menschen, die ich vor Gott bringe, wichtig, sondern auch für mich selbst und meine eigene Gottesbeziehung. Das gibt mir Kraft für den Tag, und danach kann ich getrost wieder ein Häkchen in meiner Liste machen.
Ihr Pfarrer Simon Ahäuser, Februar 2022
Evangelische Kirchengemeinde Dienheim mit Ludwigshöhe
[1] Wilfried Härle: Warum Gott? Für Menschen, die mehr wissen wollen, Leipzig 2013, S. 226-232.
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