Evangelisches Dekanat Ingelheim-Oppenheim

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          #MonatsImpuls März 2024

          „Verlangt nach Frieden für Jerusalem! Zufrieden seien alle, die dich lieben!"

          Liebe Geschwister,

          manchmal, da „stecken“ unsere Gedanken fest. Wenn wir mit einem Problem nicht weiterkommen. Oder auch, wenn uns etwas bedrückt und Sorgen macht und in unserem Kopf immer wieder diese Frage kreist: „Was könnte ich nur tun?“

          So ging es mir seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober. Seit diesem Tag habe ich mich gefühlt, als hinge eine Wolke über mir und drückte mir auf die Seele. Und ich möchte und kann mir noch immer nicht vorstellen, wie es für die Menschen ist, die jetzt vor Ort unter dem Krieg leiden. Egal auf welcher Seite. Seitdem suche ich, wie so viele andere, die Antwort auf die Frage: Warum das alles? Und wie soll das einmal, eines Tages, aufhören?

          Was in so einer Situation helfen kann? Manchmal eine radikale Veränderung. Etwas, dass uns zwingt, mal eine Perspektive zuzulassen als unsere eigene.

          Vor zwei Wochen habe ich darum einen wichtigen Schritt gemacht und bin wieder nach Israel gereist und in mein geliebtes Jerusalem gefahren. In der Altstadt bei Bäcker Jack, einem palästinensischen Christen, schmeckte der Kuchen genau so gut wie immer. Und er hat mich, wie früher, auf einen Kaffee eingeladen. Und Jacks Freund, Tzachi, war auch da. Tzachi ist jüdisch, Israeli und, unter anderem, Tour Guide. Wir haben darüber gesprochen, wie es jetzt in der Zeit vor Ostern und Ramadan, die beide ziemlich genau zusammenfallen, werden würde.

          Und Tzachi hatte eine sehr ungewöhnliche Idee: Wie wäre es, wenn die Muslime von Jerusalem die Eltern der entführten Israelis auf den Tempelberg zur Al Aqsa-Moschee einladen würden? Und wenn sie dort, zum Freitagsgebet, gemeinsam um Frieden beten würden – das würde der Hamas den Wind aus den Segeln nehmen! Die Hamas tut doch immer so, als wenn sie dort die Macht hat.

          Wenn die Muslime von Jerusalem die Eltern der Geiseln einladen würden, dann wäre das eine eindeutige Botschaft an die Hamas: „Ihr sprecht nicht in unserem Namen!“ Das wäre was! Was für eine völlig verrückte Idee. Aber mich lässt sie seitdem nicht mehr los.

          Verlangt nach Frieden für Jerusalem! Zufrieden seien alle, die dich lieben!
          Friede sei in deinen Mauern, Zufriedenheit in deinen Bauten.
          Meinen Geschwistern und Nächsten zuliebe
          will ich sagen: Friede sei in dir! (Ps 122)


          Mit diesen starken Worten aus Ps 122 und Tzachis mutiger Idee im Kopf bin ich wieder nach Deutschland zurückgekehrt. Eine fertige Antwort auf meine Fragen habe ich auf meiner Reise nicht gefunden. Vielleicht ist das auch gar nicht möglich. Aber ich habe Menschen getroffen, die sich, auch in dieser Zeit und unter solchen Umständen weigern, ihre Mitmenschen als Feindinnen und Feinde zu sehen. Und die nicht nur an Versöhnung glauben, sondern ein Bild vor Augen haben, wo und wie man damit anfangen könnte. Das klingt utopisch und fast zu schön, ja! Aber so etwas kann eben passieren, wenn wir uns aus unseren festgefahrenen Gedanken heraus auf einen neuen Weg begeben.

          Und euch, meinen Geschwistern und Nächsten will ich sagen: Friede sei mit euch! Und gute Gedanken in eurem Herzen. Und verrückte Ideen in eurem Kopf!

          Svenja Prust, Pfarrerin der Christuskirchengemeinde in Bingen

          www.christuskirche-bingen.de

          #MonatsImpuls Februar 2024

          „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid… "

          Liebe Leserinnen und Leser,

          kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid …

           … ich will euch erquicken. Diesen sogenannte Heilandsruf aus dem Munde Jesu kennen die Älteren unter uns vielleicht noch. Ich habe ihn damals, Anfang der 70er Jahre, im Konfirmandenunterricht gelernt.

          Bei Spaziergängen und kleineren Wanderungen in der Ingelheimer Gemarkung mache ich gerne mal Rast an der „Nieder-Ingelheimer Ruhe“. Die „Ruhen“ waren in den vergangenen Jahrhunderten bei uns weit verbreitet und dienten den Bauern und Händlern dazu, Kopf- und Rückenlasten für kurze Zeit abzusetzen und auszuruhen. Die „Ruhe“ lädt auch mich dazu ein, ein wenig innezuhalten, und darüber nachzudenken, was mich bewegt.

          Vielleicht wurden unsere Vorfahren dazu animiert, über manches, was sie ihre Seele bedrückte, nachzudenken. Vielleicht ist ihnen dazu dieser Spruch aus Matthäus 11,28f eingefallen, den Jesus so fortsetzt: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“

          Für „Erquicken“ und „Ruhe“ steht im Griechischen „pauo“ bzw. „pausis“. Da kommt unser deutsches Wort „Pause“ her. Jesus lädt also zu einer - meditativen - Pause ein. Um uns von Lasten zu befreien, brauchen wir Hilfsmittel wie die Ruhebank oder eine Pause und ein Ziel, an dem wir ablegen können, was uns schwer wird.

          Für unsere seelischen Lasten brauchen wir andere Menschen, mit denen wir über unsere Sorgen und Probleme reden können und als Ziel das Vertrauen zu Gott und zu Jesu Verheißung „so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“ Das haben die Menschen vor uns erfahren, sonst hätten sie uns diese biblischen Worte kaum überliefert.

          Machen Sie doch mal Pause und sich auf den Weg, um sich von Lasten zu befreien, damit Sie Ruhe finden für Ihre Seele. Vielleicht haben Sie auch schon Ihr eigenes, ganz persönliches Mantra, das Sie dazu heranziehen.

          Mein Blick geht hinüber zum Rhein, der in vielen Millionen Jahren allmählich die Hebung der Schiefergebirge durchbrach. Ich denke an den antiken Aphorismus „Panta Rhei“, der besagt, dass die Welt niemals stillsteht und alles immerzu im Werden und Vergehen begriffen ist.

          Dort auf dem Rhein werden schon seit Tausenden von Jahren bis heute Lasten auf Schiffe und Kähne aufgeladen und an ihrem Ziel wieder abgeladen. Unser Ziel, sich von Lasten zu befreien, ist Jesus, der uns - im Glauben - erquickt und Ruhe für unsere Seelen schenkt.

          Dietmar Fippinger, Pfarrer i.R.

          #MonatsImpuls Januar 2024

          „Im Jahr und im Leben braucht es auch Zeiten der schrägen Töne..."

          Liebe Leserinnen und Leser,

          ich blicke gespannt meiner ersten Fastnacht in Rheinhessen entgegen: dem lebhaften Treiben rund um die Guntersblumer Kirchtürme und den ausgelassenen, mitunter schrägen Klängen, die ich in den närrischen Tagen erwarte. Die Kirchenglocken werden wohl kaum zu hören sein, auch wenn sie weiter läuten. Sie werden von einem bunten Durcheinander übertönt!

          Von meiner Heimat im Allgäu habe ich etwas mitgebracht, das zur dortigen "Fasnet" gehört – eine alte Holzratsche. Sie erzeugt beim Drehen ohrenbetäubenden Lärm, mit dem Narren in Schwaben durch die Straßen ziehen, die ausgelassene Fröhlichkeit angesichts des nahenden Fastens feiernd.

          Mit Beginn der Passionszeit werden die Ratschen eingepackt und erklingen fast sieben Wochen später wieder: ausgerechnet um die ernste Zeit der Kartage als "Karfreitagsratschen". Wenn die Kirchenglocken in diesen Tagen bis zur Osternacht aus Trauer über das Leiden Christi verstummen, übernehmen im katholisch geprägten Allgäu die Ratschen die Funktion der Glocken.

          Fastnacht, Karneval, Fasching und Fasnet – die Zeit hat verschiedene Namen, wird in unterschiedlichen Bräuchen begangen. Doch laut und schräg wird es dann überall. Es braucht wohl im Jahr und im Leben diese Zeiten der schrägen Töne, das Lärmen und Scheppern.

          Die Schellen, die Narren tragen, erinnern an die Worte des Apostels Paulus im ersten Korintherbrief: "Wenn ich mit Menschen- und Engelszungen redete, hätte aber die Liebe nicht, so wäre ich wie ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle." Die Schellen sind vom Mittelalter her ein lautes Gegenstück zu den feinen Glöckchen am Saum der Königsrobe der staatlichen Obrigkeit. Und die schrägen Töne sowie der Lärm der Ratschen sind ein Gegenklang zum gewohnten Klang der Kirchenglocken.

          Solch herrlich schräge Töne rütteln mich wach und ich bin dankbar, dass es sie ebenso gibt wie die Zeiten der Stille. In all diesen schrägen Tönen ist für mich ein Weg zu Gott zu finden. Mitten im ohrenbetäubenden Lärm verbirgt sich die Möglichkeit, neu zu hören. Die Lust an schrägen Tönen zeigt, dass in der Vielfalt der Lebensmelodie auch Platz sein soll für das Unerwartete und Außergewöhnliche. Mitten im Lärm der Fastnacht finden wir vielleicht einen besonderen Rhythmus, der uns lehrt, das Leben in all seinen Facetten zu schätzen und uns bereit macht, mit einem offenen Herzen in der folgenden stilleren Passionszeit den Weg zu göttlicher Liebe zu gehen.

          Claudia Dreier, Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Guntersblum

          www.guntersblum-evangelisch.de

          #MonatsImpuls Dezember 2023

          „Was bleibt, ist die Hoffnung"

          Liebe Leserinnen und Leser,

          nur noch wenige Tage bis Weihnachten, aber so richtig kommt bei mir keine Vorfreude auf. Zu lebhaft stehen mir die Ereignisse des 7. Oktobers noch vor Augen. Zu sehr wirkt noch all das Schreckliche nach, das sich im Anschluss dieses Tages abgespielt hat und immer noch abspielt.

          In dieser bedrückten Stimmung entdeckte ich eine Darstellung der Geburt Christi mitten in einer Trümmerlandschaft. Ein Bild der Hoffnung inmitten von Zerstörung. Trauer und Freude liegen eng beieinander. Das Bild einer gebrochenen Welt, das mich gerade in dieser Vorweihnachtszeit des Jahres 2023 nachdenklich stimmt. Denn – als ob nichts gewesen wäre – ist auch in diesem Jahr alles wieder stimmungsvoll geschmückt, die Weihnachtsmärkte locken mit Glühwein und Leckereien. Gleichzeitig sind da diese Nachrichten von Kriegen und Krisen, vom Klimawandel, der Schuldenbremse und dem Flüchtlingsstrom. Diese Spannung zwischen Vorfreude und existentieller Angst scheint kaum erträglich, wie kann ich da noch feiern?

          Und wie war es vor 2000 Jahren zur Zeit von Christi Geburt? Wie sah es damals im Heiligen Land aus? Besatzungszone, reiche Herrscher und geldgierige Zöllner – die Menschen wurden ausgebeutet, ja teilweise versklavt. Radikale religiöse Gruppen verübten schon damals Anschläge mit schlimmen Folgen für die Zivilbevölkerung. Gleichzeitig prägten aber auch große Wallfahrtsfeste das Leben in der Stadt ebenso wie prachtvolle Bauten und üppige Märkte.

          Und in genau diese Zeit und an diesen Ort mit all den Widersprüchen und Spannungen wird Gottes Sohn geboren – was für ein Zeichen der Hoffnung und Solidarität Gottes mit den Menschen in dieser gebrochenen Welt. Gott ruft mir durch diese Geburt zu: „ICH lade Euch ein, trotz allem das Leben in diesem Kind zu feiern. Denn so darf und wird das Leben nicht weitergehen. ICH will mich mit Euch auf den Weg machen, um für den Frieden und Gerechtigkeit einzustehen.“

          Der Blick zurück zeigt, dass sich die Zeiten aber keineswegs Jahr für Jahr gebessert haben. Mal ging es friedlicher, dann wieder kriegerischer zu – Spannungen waren immer da. Was aber blieb und bleibt, war und ist die Solidarität Gottes und die Hoffnung, dass dieses Auf und Ab irgendwann einmal in Gottes neuer Welt ein Ende haben wird – in einer Welt des Friedens und der Gerechtigkeit. Für uns aber bleibt bis dahin noch einiges zu tun: uns immer wieder – soweit es in unserer Macht steht – im Namen Gottes der Gewalt und der Ungerechtigkeit entgegenzustellen. Wir wollen die Hoffnung nicht aufgeben, dass uns dies an einigen Stellen gelingen wird – mit Gottes Solidarität und Hilfe.

          Pfarrer Olliver Zobel, Dekan des Evangelischen Dekanats Ingelheim-Oppenheim

          www.evangelisches-dekanat-ingelheim-oppenheim.de

          #MonatsImpuls November 2023

          „Ein Mittel gegen Verzweiflung und Ohnmacht"

          Liebe Leserinnen und Leser,

          im Bett liegt ein Mann, der Schweres hinter und vor sich hat. Ich besuche ihn, ein Gespräch entspinnt sich. Auf einmal merke ich: ich rede, doch mein Gegenüber ist mit den Gedanken weit weg. Ich spüre: meine Worte erreichen ihn nicht. Und ich grübele: Warum habe ich diese Person nicht erreichen können, nachdem sie sich doch eingangs über den Besuch gefreut hat? Ich hatte das Gefühl, meine Worte kamen leer und wie Geplapper bei meinem Gegenüber an: wie es im 1. Korinterbrief heißt: „..ein tönend Erz oder eine klingende Schelle…“

          Allermeistens bekomme ich schnell und guten Kontakt zu den Patientinnen und Patienten. Woran also lag’s? Im Nachdenken fiel mir auf, ich war da abgelenkt, mir gingen viele Dinge durch den Kopf und ich war eher von Pflichtgefühl, als von Zuwendung angetrieben.

          Paulus hat es so gesagt:

          „Wenn ich mit Menschen-und mit Engelzungen redete, und hätte der Liebe nicht, so wäre ich ein tönend Erz oder eine klingende Schelle.“ 1. Kor 13,1

          Kennen Sie das auch? Da tun wir etwas immer wieder, aber die Frage nach dem Beweggrund gerät in den Hintergrund. Täglich mehrmals schauen wir auf den Sitz der Frisur und der Kleidung; nach der inneren Haltung fragen wir eher selten. Dabei ist doch die Liebe zu den Nächsten das Rückgrat des Christentums. „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen“ steht auch im 1. Korintherbrief. Aber: Wie oft werden wir von ganz anderen Motiven zu unserem Handeln getrieben, als christliche Nächstenliebe?

          Derzeit scheint es nicht weit her zu sein mit der (Nächsten)liebe und ich frage mich, was unsere Mitmenschen antreibt, wenn sie andere mit Hass und Hetze überziehen. Was ist geworden aus christlicher Kultur, wenn Rettungskräfte angegriffen und nun wieder jüdische Menschen diffamiert und verfolgt werden, wenn anderen das Recht auf ihre Meinung, Sexualität oder Religion abgesprochen wird.

          Es erfüllt mich oft mit Sorge, unsere freiheitliche Grundordnung und Demokratie so infrage gestellt zu sehen.

          Eine Grundhaltung der Zuwendung und Liebe zur Welt, zu den Menschen - und sich selbst, würde viel verändern. Wenn Liebe mehr wäre, als Verliebtheit und mehr Menschen die ganze Welt und Menschheit mit Augen der Liebe sehen könnten. Dann könnten sie diese Grundhaltung auch ihren Kindern in die Herzen pflanzen anstelle von Misstrauen und Angst.

          Und umgekehrt: andere mit liebevollen Augen anzuschauen und dies meinem Gegenüber zu vermitteln, ist auf jeden Fall ein Mittel gegen Verzweiflung und Ohnmacht, die oft der Aggression zugrunde liegen.

          Ich wünsche mir, dass sich der positive und respektvolle Umgang untereinander wieder mehr durchsetzt. Dazu können wir alle etwas tun.

          Sylvia Winterberg, Krankenhausseelsorgerin im Heilig-Geist-Hospital, Bingen

          #MonatsImpuls Oktober 2023

          „Mit Gottes Botschaft Hoffnung säen"

          Liebe Leserinnen und Leser,

          Konfi-Fahrradrallye in Ingelheim. Die Ingelheimer und Wackernheimer Konfis radeln von Kirche zu Kirche und stellen sich dort den unterschiedlichsten Aufgaben. Nun stehen wir gemeinsam vor einem bunten Kirchenfenster in der Gustav-Adolf-Kirche Frei-Weinheim: Eine Landschaft im Hintergrund, im Vordergrund sät ein Mann etwas aus. Soviel erkennen sie. Ich erzähle das Gleichnis vom Sämann – und treffe bei jeder der 5 Gruppen an diesem Vormittag auf aufmerksame und interessierte Konfis.

          Wie ist das bei mir selbst mit dem, was ich z. B. im Konfiunterricht von Gott und dem Glauben höre? Dornen, Fels, Vögel oder fruchtbarer Boden? – das scheint sich der ein oder die andere zu fragen. Der Bibelvers, der uns im Oktober begleitet, steht im Jakobusbrief 1,22:

          Seid aber Täter des Worts und nicht Hörer allein; sonst betrügt ihr euch selbst.

          Zunächst stolpere ich über das Wort Täter, das im Alltagskontext meist negativ besetzt ist. Aber dann: Ja, klar! Reden und Tun gehören zusammen – wie soll Glaube sonst g l a u b w ü r d i g werden? Weiß ich längst. Ich bemühe mich aufrichtig darum – mit wechselndem Erfolg, was viele wahrscheinlich nachvollziehen können. Da merke ich, dass ich schon wieder zu schnell war. Sicherlich rede ich zu anderen von dem, was ich gehört habe. Ich rede zu anderen von Gottes Wort. Aber zunächst kommt doch einmal das Hören! Ich weiß nicht wie es Ihnen geht: Ich höre so vieles und manches davon drängt sich laut in den Vordergrund. An manchen Tagen muss ich gut hinhören, um Gottes Stimme in mir zu hören: all das, was in mir zum Klingen kommt, wenn ich auf Gottes Wort höre und es in Verbindung bringe mit allem, was mir im Alltag begegnet. Das kann alles sein: die Frage, ob es christlich ist, Waffen in die Ukraine zu schicken, die Realität in deutschen Krankenhäusern, Gespräche mit Konfis über ihre Lieblingsserie auf Netflix, eine ermutigende Erfahrung mit einem Schwerkranken, die Freude in einem Gottesdienst, der Frust der nicht endenden Verwaltung (die kein Grund dafür war, den Beruf der Pfarrerin zu ergreifen) und…

          Angesichts vieler Krisen und Herausforderungen ist es für mich im Moment besonders wichtig zu hören, dass Gott mit uns geht und wir im Prozess dieses Unterwegsseins und Wegfindens auf ihn vertrauen dürfen. Ich sehe es als bedeutsame Aufgabe an, diese Zuversicht und dieses Gottvertrauen auszustrahlen. Wie kann man das tun? Indem man im Vertrauen einen Schritt nach dem andern geht – in den Bereichen, in denen man einen Handlungsspielraum erkennt. Das ist hilfreich gegen Ohnmacht. Wege finden sich so Stück für Stück.

          In der Übersetzung „Hoffnung für alle“ steht Jak. 1,22 in diesem Kontext:

          21 Nehmt vielmehr bereitwillig Gottes Botschaft an, die er wie ein Samenkorn in euch gelegt hat. Sie hat die Kraft, euch zu retten.

          22 Allerdings genügt es nicht, seine Botschaft nur anzuhören; ihr müsst auch danach handeln. Alles andere ist Selbstbetrug!

          23 Wer Gottes Botschaft nur hört, sie aber nicht in die Tat umsetzt, dem geht es wie einem Mann, der in den Spiegel schaut.

          24 Er betrachtet sich, geht wieder weg und hat auch schon vergessen, wie er aussieht.

          Ein eindrückliches Bild. Wer die gelebte Verbindung zu Gott und den christlichen Werten, die das eigene Leben ausmachen, verliert - der verliert ein großes Stück von sich selbst. Verliert auch die Orientierung. Weiß nicht mehr, wer er ist.

          Da sei Gott vor. Fels, Dornen, Vögel – all das gibt es. Aber den fruchtbaren Boden – den gibt es auch!

          Petra Lohmann, Pfarrerin der evangelischen Gustav-Adolf-Kirchengemeinde Ingelheim

          www.gak-ingelheim.ekhn.de

          #MonatsImpuls September 2023

          „Mein Lieblingsort: Die Basler Mission"

          Liebe Leserinnen und Leser,

          wann ich mich verliebt habe? Im Jahr 1990. Ich war 1987 für zwei Monate mit einem Freund als Rucksacktourist in Indien. Zurückgekehrt, wollte ich meine Examensarbeit in Kirchengeschichte über die Thomaschristen in Indien schreiben. Mein Professor schickte mich stattdessen nach Basel ins Archiv der Basler Mission. Thema: „Hessische Missionare im Dienst der Basler Mission 1815-1914“. Ich meldete mich an, bekam ein Archivlesezimmer unter dem Dach im 5. Stock mit alten Stilmöbeln aus der Geschichte des Hauses und wurde vom englischen Archivar Paul Jenkins eingewiesen. Damit war es um mich geschehen!

          So viel Schätze, manche noch völlig ungehoben! In den Hochzeiten der Mission hatte jeder, mindestens in Württemberg, einen Verwandten, der mit der Basler Mission unterwegs war. Das alte Missionshaus in Basel von 1861, damals außerhalb der Stadt gebaut, heute mitten drin. Über dem Hauptportal der Spruch zur Gründung aus dem Alten Testament: „Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.“ Engagierte Menschen, manche fast kommunitär lebend, mit täglichen Andachten und jährlichen Retraiten. Ich hatte mich definitiv verliebt.

          Als die Frage aufkam, wohin zum Spezialvikariat, war klar: nach Basel. Aus dem einen Jahr wurden vier und beinahe eine Doktorarbeit. Das Manuskript zirkuliert, steht in Indien und ist in einigen Büchern erwähnt.

          Damals sandte die EKHN noch Mitglieder in die Abgeordnetenversammlung der Basler Mission. Der scheidende Ökumenereferent Dr. Grimm fragte mich, ob ich das Amt nicht übernehmen wolle? Ich wollte! Dann war ich in der Vorstandswahlkommission bis mich jemand fragte, ob ich nicht selbst kandidieren wolle? Ich wollte! Mittlerweile bin ich das dienstälteste Vorstandsmitglied!

          Zwei Pastoralkollegs habe ich für verschiedene Pröpste dort vorbereitet und geleitet, eine Fortbildung für die rheinhessischen Dekane, diverse Blockseminare für afrikanische Geschichte und einzelne Forscherinnen und Forscher begleitet. Einen Kinofilm mit Archivmaterial versorgt, eine Preview-Veranstaltung organisiert und eine Begleitausstellung. Einmal durfte ich nach Ghana reisen, zweimal zu Missionsjubiläen nach Südindien.

          Ich habe den Umbau der Missionsschule zu einem 3-Sterne-Hotel mitverantwortet und eine Zeitlang schlecht geschlafen. Bis wir nach drei Jahren in den schwarzen Zahlen waren und kurz danach das bestgebuchte Hotel in Basel. Merke: Zumindest bei einem solchen Standort ist sparen manchmal nicht die richtige Lösung, sondern Innovation. Kurz vor Corona haben wir noch ein neues Restaurant und Wohnungen gebaut und wären daran in der Krise fast gescheitert. Aber heute strahlt der Compound schöner denn je.

          Das Archiv hat das größte Missionsbildarchiv Europas. Alle Bilder stehen über das Internet den Partnerkirchen zur Verfügung, die so an Ihrer eigenen Geschichte forschen können. Der Andachtsraum ist inzwischen eine Kapelle im Untergeschoss, für alle Religionen nutzbar. Für die Andacht zur Jahreslosung im Januar bin traditionell ich zuständig.

          Wenn Sie sich auch verlieben möchten: www.baselmission.org
          Unser Motto seit dem 200jährigen Jubiläum 2015 lautet: Wir schreiben die Hoffnung weiter!

          Michael Graebsch, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Nierstein
          www.martinskirche-nierstein.de

          #MonatsImpuls August 2023

          „So schmeckt der Cocktail am Pool noch eine Spur besser..."

          Liebe Leserinnen und Leser,

          der klassische Zeitraum, um über sich zu reflektieren, ist eigentlich das Jahresende. Das Weihnachtsfest im Kreise der Familie war wunderschön, alles steht wieder an seinem Platz und Silvester liegt noch einige Tage voraus. In den Medien laufen Jahresrückblicke in Dauerschleife und regen dazu an, auch persönlich darüber nachzudenken, was das letzte Jahr an Highlights und Tiefschlägen gebracht hat.

          Der Sommer mit seinen Schulferien ist aber für viele ein ebenso starker Einschnitt und der Sommer, in dem es nicht opportun ist, sich allzu stark zu bewegen außer im Wasser, lässt Raum zum Nachdenken und Nachsinnen. Bei einem leckeren Cocktail im Liegestuhl am Pool döst man vor sich hin und lässt seinen Gedanken freien Lauf. Je nach Persönlichkeit kreisen die Gedanken um Erfolge, schöne Erlebnisse, beglückende Begegnungen oder um Trauriges, Schweres, Lähmendes, das möglicherweise immer wiederkehrt. Wer eine stabile Persönlichkeit hat, kennt auch beides, u. U. gar nicht weit von einander entfernt. Dann stellt sich die Frage: Wie schaffe ich es, aus der Spirale nach unten, aus dem Muster, mich selbst fertig zu machen, auszubrechen? Jetzt komme ich endlich zur Ruhe, könnte meine Zeit genießen und dann kommen mir diese fertigmachenden Gedanken. Was soll das?

          Wenn es uns so geht, sind wir schon einen Schritt weiter als viele andere, die stets andere dafür verantwortlich machen wollen, dass es ihnen gerade nicht so gut geht. Denen sagte schon Jesus: „Wer ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein“ (Joh 8,7) und richtete damit den Blick nach innen statt nach außen. Wie das völlig überzogen geht, hat Augustin im 4. Jahrhundert formuliert, als er auf die Idee mit der Erbsünde kam: Weil Adam und Eva gesündigt haben, können alle weiteren Geschlechter nicht anders, als zu sündigen. Ein absurder Gedanke für alle Juden, aus deren Tora die Erzählung von der Vertreibung aus dem Paradies stammt. Denn davon steht dort nichts. Im Gegenteil: Nachdem Gott den Menschen erschaffen hatte, stellte er fest: Und siehe, es war alles sehr gut.

          Wenn also Augustin schwer übertrieben hat, und wir nicht anderen die Schuld für unsere selbstkritischen Gedanken in die Schuhe schieben wollen, wie können wir sie lösen?

          Dass Gott sich über jeden reuigen Sünder freut und ihm gerne vergibt, findet sich nicht nur in den Gleichnissen Jesu, sondern zieht sich wie ein roter Faden durch das erste und zweite Testament. Wenn wir diese Zusage ernst nehmen, dann können wir die Vergebung Gottes in uns aufnehmen und uns selbst vergeben, was wir wieder alles negativ getan und gedacht haben.

          Die Universität von Ohio hat in einer Studie von 2016 genauer untersucht, wie das gut gelingen kann: Zu Beginn steht die Trauer darüber, etwas falsch gemacht zu haben. Gleichzeitig erkennen wir genau, was da wie schief gelaufen ist und können den Fehler klar benennen. Schließlich realisieren wir, dass kein anderer dafür gesorgt hat, sondern allein wir; wir übernehmen die Verantwortung dafür. Wenn wir so weit sind, ist es bis zur Reue nicht weit, die sich in uns bereit macht. Und von dort ist es leicht und logisch, eine Wiedergutmachung anzubieten. Der letzte Schritt ist fast der mutigste: Wir bitten um Verzeihung. Wir gehen nicht davon aus, dass der von uns Geschädigte (ja, im Zweifel sogar wir selbst mit unseren negativen Gedanken) uns vergibt. Wir bitten darum. Das Gegenüber (und wir selbst) sind frei zu entscheiden: „Ja, ich vergebe Dir“ oder „Nein, das schaffe ich jetzt nicht“.

          Im Vertrauen auf die Vergebung Gottes, die wir in Jesus konkret gezeigt bekommen haben, können wir vergeben – anderen und uns selbst, denn der Geist Gottes ist in den Schwachen mächtig (2.Kor 12,9). Wenn uns das gelingt, schmeckt der Cocktail am Pool noch eine Spur besser, denn wir werden innerlich frei, um alle Geschmacksanteile mit jedem Schlückchen voll genießen zu können.

          Pfarrer Johannes Münden, Schulpfarrer am Sebastian-Münster-Gymnasium in Ingelheim

          #MonatsImpuls Juli 2023

          „Licht und Luft zum Glauben“ – wirklich?

          Liebe Leserinnen und Leser,

          vor einer Bewerbung steht die Recherche. Was ist das für eine Firma oder Organisation? Was ist das für eine Stelle? Für meine Bewerbung als Transformationsunterstützer hatte ich mir deshalb intensiv die Internetseiten zu ekhn2030 angeschaut. „Licht und Luft zum Glauben“, las ich da als Leitgedanke und fand es durchaus ansprechend.

          Wie oft stand ich als Pfarrer der bayerischen Landeskirche an der Osterkerze, habe dort eine Taufkerze entzündet und mit den Worten gedeutet: „Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ (Joh 8,12)

          Und Luft brauchen wir alle. Als Gemeindeberater hatte ich oft genug erlebt, wie den Kolleg:innen unter der Last der Aufgaben und Erwartungen die Luft ausging. Strukturen verändern, damit wir wieder Luft bekommen und uns vom göttlichen Wind bewegen lassen, las ich in dem Motto. Denn weht der Geist nicht wo er will und bewegt die Kinder Gottes? In der Überlastung wird man starr und da kann der Wind wehen wie er will.

          In der EKHN angekommen, erfuhr ich dann, dass der Leitgedanke von ekhn2030 - gelinde gesagt – von vielen wenig geliebt wird. Manche empfinden ihn als geistlich dünn und "die da oben" wollen ja eh nur Geld sparen. Veränderungsprozesse können scheitern und binäres Denken in „die da oben und wir hier unten“ oder auch „Struktur versus Inhalt“ ist eine der Ursachen.

          Jeder Veränderungsprozess erzeugt Gewinne und Verluste. Und die Erfahrung zeigt: Je mehr ich an der Vergangenheit festhalte und versuche Verluste zu vermeiden, umso weniger kann ich die Chancen der Veränderung entwickeln. Es summieren sich dann die negativen Effekte auf, ohne dass es auf der anderen Seite positive Entwicklungen gibt.

          Positive Energie bekommt Veränderung dann, wenn Chancen ergriffen werden. Wenn Vergangenes betrauert aber dann auch los gelassen wird. Wenn Neues entstehen darf. Der Prozess ekhn2030 trägt große Möglichkeiten in sich, Kirche neu zu denken und zu entwickeln. Strukturelle Veränderung und inhaltliche Weiterentwicklung können Hand in Hand gehen.

          Als Transformationsunterstützer ist es meine Aufgabe, Dekanate und Nachbarschaftsräume auf diesem Weg zu unterstützen. Und ich vertraue darauf, dass es gelingt, wenn wir unseren Auftrag nicht aus dem Auge verlieren. Christus spricht: Ich bin das Licht der Welt. Als Kirche verkünden wir den Auferstandenden. Gut, wenn wir sein Licht sehen und uns vom ihm die Richtung weisen lassen und dann genug Luft haben, die frohe Botschaft auch fröhlich weiterzusagen.

          Pfarrer Axel Conrad
          Transformationsunterstützer im Regionalbüro "Vernetzte Beratung ekhn2030" für Rheinhessen, Wiesbaden und das Nassauer Land

          #MonatsImpuls Juni 2023

          "Ganz neu träumen, was ich in Zukunft suche ..."

          Liebe Leserinnen und Leser,

          „Mit siebzehn hat man noch Träume“, das ist ein Schlagertext aus meiner Jugend. Jetzt, wo ich auf den Ruhestand zugehe, fragen mich Menschen oft, was ich mir vornehme, wenn ich demnächst nicht mehr beruflich eingespannt bin. Manche schauen dann ziemlich besorgt aus und haben Bedenken, ob ich mit dem Zustand als Rentnerin vielleicht nicht klarkomme. Und ich denke schmunzelnd daran, dass es in der Bibel eher heißt: „Mit siebzig hat man noch Träume.“

          Genaugenommen steht da gar keine Jahreszahl. Der Prophet Joel beschreibt (Joel 3), wie sich der Geist Gottes auswirkt: Alte und Junge und die ganze Schöpfung sind davon bewegt. Die Alten – und eben nicht nur die Jungen, – haben Träume, Visionen, Zukunftshoffnung, Ideen.

          Mir gefällt die Beschreibung, dass es mit Gottes Geist gerade die Alten sind, die Träume haben, denn manchmal habe ich das Gefühl, dass man heutzutage gerade das der älteren Generation abspricht. Gebrechlichkeit, Unbeweglichkeit, Armut, Einsamkeit, das sind die Themen, die viele vor allem mit dem Thema Älterwerden verbinden. Ja, das kann man so machen. Aber es ist doch nur die halbe Wahrheit. Und ist es nicht die Generation der Älteren, die mitreden sollte, wenn es darum geht, neues zu konstruieren, zu entwickeln und zu entdecken?

          „Hab ich gehabt, brauche ich nicht mehr.“ Das ist ein Satz, den mir ein 80jähriger mal als sein Lebensmotto verraten hat. Und mit dem er begründet, dass manche Dinge, die schnelllebig sind, sich für ihn schon bald erledigt haben. Er hatte Lust und vor allem auch die Freiheit, viel Neues auszuprobieren und alte Zöpfe buchstäblich abzuschneiden. Hab ich gehabt, brauche ich nicht mehr. Manche Sache, von der ich mir als junger Mensch vorstelle, wie unbedingt nötig sie für mich wäre – die sortiert sich da schnell aus und macht Platz für wirklich Neues.

          Wenn ich an diese Formel denke, dann freue ich mich auf den Ruhestand als eine Zeit, mit der ich ganz neu träumen möchte, was ich in Zukunft suche.

          Ihre Manuela Rimbach-Sator, Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Oppenheim

          Evangelische Kirchengemeinde Oppenheim

          #MonatsImpuls Mai 2023

          "Was macht Ihre Seele heute so?"

          Liebe Leserinnen und Leser,

          „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.“ (Psalm 42,2)

          Tja, das ist so ein Bibelvers, der – mir jedenfalls – gut im Gedächtnis bleibt. Sehr bildstark! Das kennen Sie doch bestimmt auch noch von früher, in manchem deutschen Wohnzimmer, da hing er, über der Anrichte, der röhrende Hirsch auf der Lichtung im dunklen Tann. Ob der wohl lechzt? Eins von diesen alten, interessanten Wörtern: Lechzen. Wie geht das? Ich denke sofort an die Zunge, die aus dem Mund hängt, die Augen des Zungenbesitzers weit aufgerissen vor Verzweiflung, vor Verlangen. Comicbilder vom Wanderer in der Wüste. Der Schweiß perlt ihm von der Stirn. Er ist durstig. Dann die Fata Morgana: Ein großes frischgezapftes Bier mit schöner Schaumkrone. Wahlweise Apfelsaftschorle. Und er lechzt!! Das hat irgendwas mit der Zunge zu tun: Ich lechze nach einem Eis, es ist so heiß, und ich lecke freudig daran. So soll meine Seele also auch lechzen… Oh, Moment, nein: Sie schreit ja, die Seele.

          Was macht Ihre Seele heute so? Der Psalmbeter weiß es. Ich eher nicht. Wenn sie schreit, müsste man es ja merken. Meistens ist sie unauffällig.

          Wenn einen eine richtig starke Sehnsucht erfüllt ­– gar nicht mal konkret, mehr so unbestimmt – eine unbändige Sehnsucht nach Leben, nach frischem Wind um die Nase, weil man so festgemauert ist in seinem Alltag, in dem kleinen Alltagskaro. So ein großes Verlangen nach Freiheit, Aufbrechen, was erleben. Das könnte sie gut sein, meine Seele, die sich sehnt. Und wenn es einem schlecht geht, richtig schlecht, dieses fast schmerzhafte Verlangen danach, dass das weggeht, dass man wieder in einem angenehmen Leben landet. Vielleicht merke ich das Schreien meiner Seele auch nicht. Vielleicht ist sie schon so ausgetrocknet wie der Wüstenwanderer im Comic und kann gar nicht mehr laut schreien. Eine vertrocknete Seele… – die lechzt nach frischem Wasser, wie das Vieh. Haben Sie schon mal Rinder nach Wasser brüllen hören? So in der Art.

          „Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele“ (Psalm 23). Genau damit nämlich. Wo ist denn die Quelle, die das Verlangen meiner Seele stillt? „Bei dir ist die Quelle des Lebens“ (Psalm 36,10) – bei Gott nämlich. Es ist nicht dies und das, wonach unsere Seele schreit oder lechzt: Der tolle Urlaub, das tolle Haus, das tolle Auto, die tolle Familie – das ist alles okay, aber nicht das, wonach die Seele verlangt. Ihren Durst stillt Gott selber. Wenn du das Verlangen spürst, wende dich ihm zu. Er kann. Und will. Und wenn dieses Verlangen gestillt ist, und du bist erquickt, dann wende dich Gott zu und sage: „Danke!“ Du hast aus der Quelle des Lebens getrunken. Jesus sagt: „Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten“ (Joh.6,35). Jesus stillt das Verlangen unserer Seele, immer wieder. In ihm ist die Quelle des Lebens mitten unter uns. Und das Lechzen wird gestillt. Und der Seele geht es wie dem armen Wüstenwanderer, der dann endlich, endlich sein großes Bier – wahlweise große Apfelsaftschorle – trinkt und hinterher noch ein Eis leckt.

          Meint jedenfalls Ihr Stephan Sunnus, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Harxheim - Gau-Bischofsheim
          Evangelische Kirchengemeinde Harxheim - Gau-Bischofsheim

          #MonatsImpuls April 2023

          Mit oder ohne Kirche endgültig Abschied nehmen?

          Liebe Leserinnen und Leser,

          ich wundere mich. Oder auch nicht mehr. Nach einer kürzlich veröffentlichen Umfrage glauben 38 Prozent der Menschen an ein Leben nach dem Tod, 55 Prozent glauben dies nicht. Der Rest machte dazu keine Angaben. Also gut nur noch ein Drittel der Menschen in unserem Land glauben daran, dass nach dem Tod noch etwas kommt. Und darunter sind wohl auch einige, die sich als Christen bezeichnen oder zumindest noch in einer der beiden großen Kirchen sind (26 % katholisch, 23,5 % evangelisch).

          Und ich beobachte vor Ort in meiner Gemeinde einen Trend, der mich etwas ratlos macht: Immer mehr Gemeindemitglieder lassen sich nicht mehr kirchlich beerdigen, kommen ohne Pfarrer und kirchliche Aussegnung aus. Ich frage mich, woran liegt das?

          Aber klar, wenn immer mehr Menschen nicht mehr an ein Leben nach dem Tod glauben, dann brauchen sie wohl auch keine kirchliche Bestattung, die genau davon spricht. Es zeigt sich, dass die christlichen Kirchen als Anlaufpunkt für Menschen beim Thema Tod an Bedeutung verlieren. Ich finde das sehr bedauerlich.

          Denn ich finde es tröstlich und hilfreich, bei einer Beerdigung von der Hoffnung zu reden, die über den Tod hinausgeht. Die uns ein Leben nahe bei Gott verheißt, bei dem wir unseren ewigen Frieden finden, der zurecht bringt, was hier auf Erden vielleicht schwierig war. Das Leben einer verstorbenen Person im Angesicht des Wortes Gottes zu würdigen, ihn in seine Hände zu übergeben und zu wissen, da ist er gut aufgehoben, das macht für mich das Besondere einer christlichen Beerdigung aus. Und natürlich auch den Angehörigen und Trauernden Trost zuzusprechen.

          Ich halte das für eine der wichtigsten Aufgaben eines Pfarrers, einer Pfarrerin. Und ich komme dem, auch wenn es manchmal schwere und bedrückende Momente sind, gerne nach. Dafür bin ich Gemeindepfarrer geworden.

          Wir haben kürzlich Ostern gefeiert. Das Fest der Auferstehung Jesu und der Auferstehung der Toten. Davon sollten wir nicht schweigen. Dafür ist die Botschaft zu einmalig und zu wunderbar: Gott ist bei uns - im Leben und nach unserem Leben hier auf Erden im Tod und Ewigkeit. Daran glaube ich.

          Markus Weickardt, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Gensingen-Grolsheim
          Evangelische Kirchengemeinde Gensingen-Grolsheim

          #MonatsImpuls März 2023

          Im Gespräch

          Liebe Leserinnen und Leser,

          gehören Sie zu den Personen, die manchmal mit Gegenständen sprechen? Wenn ein runtergefallener Tomatensuppen-Löffel ausgiebig beschimpft wird, ist das vielleicht ein brauchbares Ventil für den spontanen Ärger über die entstandene rote Schweinerei, gleichzeitig ist es „cringe" – ein bisschen peinlich. Ich möchte Sie heute anregen, mit Gegenständen in Ihrer Kirche ins Gespräch zu kommen. Dabei braucht ja niemand zuzuhören, und Gott versteht Sie schon (mehr lesen).

          Naheliegend beim Betrachten von Kirchen ist der Gedanke, dass diese alten Steine schon viele erleichterte Dankgebete gehört und manche Träne gesehen haben. Vielleicht fühlt man sich deshalb oft gut aufgehoben in diesen besonderen Wänden. Natürlich schauen wir in der Regel auch den Altar an, sehen die Kerzen, die Bibel und die Blumen… Aber auf was ist Ihr Blick bei Ihrem letzten Kirchenbesuch noch gefallen? Auf ein besonderes Fenster? Oder einfach auf den Haken an der Vorderbank, der mal für Hut oder Handtasche angebracht wurde (und jetzt so quietscht, wenn Kinder ihn gelangweilt hin- und herbewegen)? Kommen Sie doch mal mit dem Fenster oder dem Haken ins Gespräch.

          Der Haken könnte davon erzählen, dass in dieser Bank schon vieles seinen Platz gefunden hat. Erzählen Sie dem Haken, was Sie gerne innerlich aufräumen würden, was einen guten Platz, einen Haken braucht, damit es Sie nicht mehr umtreibt. Vielleicht ist so ein Hut-und-Handtaschen-Kirchenbank-Haken ein guter Gesprächspartner für solche Dinge.

          Auf dem Foto hier sehen Sie ein Kirchenfenster neben der Orgel in der Johanneskirche Bingen, das für die Gemeinde kaum sichtbar ist, weil es sich auf der Empore und im Rücken der Gottesdienstbesucher befindet. Aber vom Altar aus fällt mein Blick immer auf dieses Fenster mit der Taube. Ich erzähle ihm von meiner Sorge um die ukrainischen Nachbarn, die jetzt mit ihren Kindern nach Kiew zurückgehen wollen und schicke die Friedenstaube mit dem Zweig in Gedanken und im Gebet mit ihnen. Hoffnung für den Neuanfang, obwohl die Tür des Schiffes nach der Sintflut noch zu ist.

          Ich meckere über die nervige Person vorhin. Die Taube zeigt mir die vielen unterschiedlichen Tiere in der Arche von diesem Noah und fragt, ob ich tauschen wolle. Ich erinnere mich mal wieder, die Vielfalt des Lebens ist gewollt, auch wenn mich das manchmal anstrengt.

          Haken- und Fenstergespräche in der Kirche. Kommen Sie doch mal mit einem Gegenstand in Ihrer Kirche ins Gespräch. Dabei braucht ja niemand zuzuhören, und Gott versteht Sie schon.

          Tanja Brinkhaus-Bauer, Pfarrerin der evangelischen Johanneskirchengemeinde Bingen, März 2023
          Evangelische Johanneskirchengemeinde Bingen

          #MonatsImpuls Februar 2023

          Leben und Glaube – ein großes "Strickwerk"

          Liebe Leserinnen und Leser,

          wer mich kennt, weiß, dass das Handarbeiten mir große Freude macht. Ungezählt sind die Tücher für Hals und Schulter, die ich schon gestrickt habe, und in der Pandemie habe ich mich wieder an kompliziertere Projekte gewagt: Socken oder Pullover mit Norwegermuster. Das Ergebnis erfreut nicht nur mich, sondern auch diejenigen, die von mir bestrickt werden. Mir selbst tut das Stricken einfach gut, denn es hilft mir Abstand von meinem Alltag zu bekommen und wahrzunehmen, was mich innerlich bewegt, und deshalb auch Ruhe zu bringen in meine Gedanken. Bei meinen ersten Schweigeexerzitien hatte ich Wolle und Nadeln dabei und habe entdeckt, wie meditativ Stricken sein kann. Masche für Masche, Reihe für Reihe. Geduld und Gelassenheit sind hilfreich, wenn ich ein Strickwerk beginne und vor allem zu Ende bringen möchte.

          Denn nicht immer läuft alles glatt. Manchmal entdecke ich viele Reihen später einen Fehler und stehe dann vor der Entscheidung, durchaus auch mal verärgert oder frustriert, alles wieder aufzuziehen. Dann kräuselt sich die Wolle neben mir, und ich habe Mühe, sie ohne Knoten und Verwirrungen zurück aufs Knäul aufzuwickeln. Oder ich entscheide mich, den kleinen Fehler drin zu lassen. Schließlich ist es Handarbeit, die muss nicht perfekt sein, und vielleicht darf ich das ja zulassen oder sogar andere sehen lassen.

          Erkennen Sie in diesen Strick-Erfahrungen auch Erfahrungen aus anderen Lebenssituationen? Manchmal denke ich, das Leben wie der Glaube sind wie ein großes Strickwerk. Verschiedenste Garne und Fäden, die ineinander gearbeitet werden. Mal schön und harmonisch, Muster in hellen Farben von einem guten Leben, und dann wieder: Aufgeribbeltes neu verarbeitet, kleine Knoten, die bleiben, dunkle oder blasse Farbtöne, Erinnerungen an Zeiten voller Sorge, Aufgeriebensein oder gar Krise. Manchmal gelingen die Dinge und gleiten geschmeidig durch die Hände, und dann wieder diese kraftraubende Anstrengung, schon wieder, neu anfangen zu müssen, um dann – hier und da wenigstens – mit Abstand festzustellen, dass es sich gelohnt hat, alles besser passt.

          Geduld und Gelassenheit, das lehrt mich das Stricken. Gar nicht so einfach, dies an anderen Stellen des Lebens aufzubringen, dennoch so wichtig wie wohltuend, wenn sie gelingen. Man muss nicht Stricken, um dies zu erfahren. Das morgendliche Atem-Gebet oder das Innehalten am Abend, um die drei Freuden eines Tages einzusammeln, sind schöne Übungen, um das „Strickwerk“ des Lebens anzunehmen und zu gestalten. Wunderbar, wenn wir selbst immer wieder mit dem Blick auf das eigene Leben und die Welt sehen und erfahren: was für ein schönes Werk, trotz oder gerade wegen aller Arten von Fäden und Maschen.

          Mögen wir daher immer wieder sagen können: „Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele.“ (Psalm 139, 14).

          Elke Stein, Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Nieder-Olm, Februar 2023
          Evangelische Kirchengemeinde Nieder-Olm

          #MonatsImpuls Januar 2023

          H. WiegersUmgeben von einem Teil seiner umfangreichen Kirchentagsschal-Sammlung: Johannes Hoffmann, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Guntersblum und einer der Beauftragten für den Deutschen Evangelischen Kirchentag

          „Jetzt ist die Zeit!“ - Der Kirchentag als lebenslange Inspiration

          Liebe Leserinnen und Leser,

          es war im Frühjahr 1981. Helmut Schmidt war Bundeskanzler und an der innerdeutschen Grenze bedrohten sich die Machtblöcke mit immer neuen Raketen. Dagegen stellte sich die wachsende Friedensbewegung auf beiden Seiten der Mauer: „Schwerter zu Pflugscharen!“ stand auf den Aufnähern staatsunabhängigen Abrüstungsinitiativen in der DDR. „Umkehr zum Leben“ auf den lila Schals der Kirchentagsbewegung im Westen.

          Einer, der diesen Schal ab Ende Mai 1981 auch im Schulunterricht trug, war ich – begeistert vom Deutschen Evangelischen Kirchentag, der 1981 in Hamburg stattfand. Mit mehr als 100.000 weiteren Dauerteilnehmer*innen tauchte ich für fünf Tage tief ein in die vielfältigen Diskussionen über Friedenspolitik, Gerechtigkeit, Glauben und Leben. Seitdem – immerhin 42 Jahre lang – ist der Kirchentag eine Kraftquelle für mein Leben, zunächst als Schüler, dann als Theologiestudent und seit 1994 als Vikar und Pfarrer. Von den 16 Kirchentagen einschließlich der ökumenischen habe ich nur zwei versäumt – da war ich Pfarrer in den USA und die Anreise doch zu weit.

          Die Kirchentagsbewegung hat es geschafft, immer wieder die aktuellen gesellschaftlichen Themen aufzugreifen und mit der biblischen Tradition und der Praxis der Kirchen in einen produktiven Dialog zu bringen. So kontrovers auch auf den Podien des Kirchentages diskutiert wird – das war schon 1981 zwischen Helmut Schmidt als Befürworter und Erhard Eppler als Gegner neuer Atomraketen der NATO so -, so respektvoll werden die Meinungen der anderen gehört und bedacht. Das war beim letzten Kirchentag in Präsenz 2019 in Dortmund wieder der Fall, als die Flüchtlingsfrage im Mittelpunkt stand: Sollen wir alle, die im Mittelmeer unterwegs nach Europa sind, auffischen und an Land bringen? Und wenn ja, in welches Land?

          Beim Kirchentag 2023, der vom 7. bis zum 11. Juni in Nürnberg stattfindet, geht es unter dem Motto „Jetzt ist die Zeit!“ wieder um Krieg und Frieden, aber mit ganz anderen Voraussetzungen als früher. Und die Frage der Klimagerechtigkeit wird auch von vielen Seiten bedacht werden.

          Neben allen Welt-Themen machen die fünf Tage Kirchentag auch viel Spaß: Wenn spätabends in der Quartiersschule zur Gitarre gesungen wird, oder wenn, wie in Dresden 2011, sich eine übervolle Straßenbahn auf dem Weg zum Messegelände mit dem Kanon „Der Himmel geht über allen auf“ in einen mehrstimmigen Chor verwandelt.

          Gerade für junge Menschen, die ihre Kirchengemeinde vor Ort eher langweilig finden (so wie ich mit 16), bietet der Kirchentag eine Fülle von Ideen, Motivation, Glaubensfreude, neuen Kontakten und Spaß. Das hält lange an!

          Und daher begleite ich seit 2007 Gruppen aus unserem Dekanat zu den Kirchentagen. Für Nürnberg ist schon ein Doppelstock-Bus gebucht, der von Bingen bis Guntersblum Zustiegsmöglichkeiten bietet. Mitfahren können alle ab 16, in Begleitung von verantwortlichen Gemeindegliedern auch ab 14 Jahren. Näheres dazu unter ej-ingopp.de.  Jetzt ist die Zeit – auf nach Nürnberg!

          Wer sich schon vorher mit dem Thema auseinandersetzen will: Am 5.2. ist bundesweit Kirchentags-Sonntag. Vertreter*innen des Kirchentagspräsidiums sind an diesem Sonntag als Gastprediger unterwegs, so auch die Vizepräsidentin des Europa-Parlaments, Nicola Beer aus Frankfurt, die um 10:00 Uhr in der evangelischen Kirche zu Guntersblum predigen wird und im Anschluss zum Gespräch bereitsteht.

          Johannes Hoffmann, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Guntersblum, Januar 2023
          Evangelische Kirchengemeinde Guntersblum

          #MonatsImpuls Dezember 2022

          H. WiegersMit gezückter Lupe betrachtet Dekan Olliver Zobel erfreut ein ebenso winziges wie kraftvolles Senfkorn.

          Das Potenzial des Senfkorns: Gedanken zu einer Grundhaltung christlichen Glaubens – gerade in dieser Weihnachtszeit

          Liebe Leserin, lieber Leser,

          so groß wie die Spitze einer Stecknadel ist der Samen des orientalischen Senf. Man braucht schon eine Lupe, um es sich genauer anzusehen und als ich es vor gut einem Jahr gepflanzt habe, habe ich mich schon gefragt, was daraus wohl werden wird? Und ehrlich, am Anfang hat es lange gedauert und über lange Zeit habe ich befürchtet, dass ich irgendwelches Unkraut aus der Blumenerde mühsam heranzüchte. Doch dann im Frühjahr habe ich es in den Garten gepflanzt und die Pflanze ist wahrlich explodiert – mittlerweile fast vier Meter hoch und überragt damit alles, was wir im Garten haben.

          Jetzt verstehe ich, dass dieses kleine Samenkorn ein zentrales Beispiel für das Reich Gottes, aber für mich auch für unseren Glauben ist – so heißt es: Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte; das ist das kleinste unter allen Samenkörnern; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter und wird ein Baum, dass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen (Mt 13,31f).

          Eine Erinnerung, was für ein Potential, was für eine Hoffnung uns Gott in seiner Botschaft, in seinem Evangelium zur Verfügung stellt. So klein und unscheinbar vieles doch ist, was wir als Kirche gerade tun und erleben, so groß und segensreich kann das alles wieder werden.

          Dabei stecken für mich in diesem Vers noch zwei wichtige Gedanken:

          Es braucht die Zeit des Wachsens
          Ich gebe zu, auch ich bin eher ein ungeduldiger Mensch. Deswegen fällt es mir nicht leicht, dass sich viele Prozesse in der Kirche und der Gesellschaft gerade so mühsam hinziehen. Schnell denke ich auch an den starken Menschen, der jetzt mal sagt, wo es lang gehen soll und dann wäre alles klar.
          Doch damit überzeugen wir Menschen kaum. Gewiss machen sie dann dieses und jenes, aber nicht von Herzen. Sie werden Auswege suchen und nur das Nötigste tun. Doch wenn wir uns Zeit dafür nehmen, damit neue Gedanken wachsen und reifen können, so können wir die Herzen der Menschen erreichen. Dann werden sie sich auch dafür engagieren und wir erreichen auf lange Sicht wesentlich mehr Menschen, denn so ein Prozess ist eben nachhaltig und verwurzelt.

          Die Vögel wohnen in den Zweigen
          Das Beispiel erinnert mich außerdem daran, dass wir solch ein Wachstum nicht um unserer selbst, sondern um der anderen Menschen erstreben. Gerade im Hinblick auf die Veränderungen im kirchlichen Bereich ist mir dieser Gedanke sehr wichtig. Wir sind doch nicht Kirche um unseretwillen, sondern um des Evangeliums und seiner Verkündigung willen. Und wenn sich Dinge verändern, gilt es weiter zu wachsen, sich zu entwickeln, neue Knospen anzusetzen, aber auch alte Triebe und trockene Äste abzuschneiden. Wenn uns die Menschen, Gottes Geschöpfe, am Herzen liegen und vor Augen stehen, dann werden wir wieder neu wachsen und Gottes Segen erfahren.

          All das geht mir durch den Kopf – gerade in dieser Weihnachtszeit. Denn wir feiern das Kommen Gottes vor gut 2000 Jahren – nicht als einen großen Herrscher, sondern als kleines, unscheinbares Kind, das in Bethlehem in einem Stall zur Welt gekommen ist und von dem die große Welt damals kaum Notiz genommen hat. Doch nach und nach ist es gewachsen und offenbarte sich als der Sohn Gottes. Der sich Zeit nahm, um seine Botschaft Jüngerinnen und Jüngern zu erklären, der dann aber nicht um seiner selbst willen gelebt hat, sondern um unseretwillen am Kreuz starb und von Gott wieder auferweckt wurde – und am Ende der Tage wiederkommen wird.

          Das kleine Kind in der Krippe wurde somit zum Retter dieser Welt – das können wir auch in diesem Jahr wieder feiern. Ich wünsche Ihnen eine frohe und gesegnete Weihnachtszeit.

          Pfarrer Olliver Zobel, Dekan des Evangelischen Dekanats Ingelheim-Oppenheim, Dezember 2022
          Evangelisches Dekanat Ingelheim-Oppenheim

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