Eine Kindheit im Schatten des Holocaust - Schulklassen im Gespräch mit Zeitzeugin Henriette Kretz an der IGS in Ingelheim
Es war ihr zweiter Besuch an der Integrierten Gesamtschule Kurt Schumacher in Ingelheim. Henriette Kretz, Zeitzeugin des Holocaust, erzählte am 16. April 2024 zunächst morgens vor rund 200 Schüler:innen sowie am darauffolgenden Abend in einer öffentlichen Gesprächsrunde mit dem Titel „Eine Kindheit im Schatten des Holocaust“ vor zahlreichen weiteren Gästen aus ihrem Leben – dem Leben eines jüdischen Kindes im Holocaust. „Als polnisches Kind konntest du im Krieg sterben, als jüdisches Kind musstest du sterben,“ fasste sie vor den Schulklassen ihr damaliges Leben in früher Kindheit zusammen.
„Erst hörte ich einen Schuss, dann hat jemand geschrien, dann einen zweiten und dann wusste ich, dass ich keine Eltern mehr habe.“ Was Henriette Kretz an diesem Tag mehr als zwei Stunden in der Aula der IGS über die Geschehnisse in ihrem Leben erzählte, ging unter die Haut. Die Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 10 und 12 hörten ihr aufmerksam zu. „Es tut weh und es treibt einem die Tränen in die Augen zu hören, wie die achtjährige Henriette auf der Suche nach einer Bleibe ganz alleine auf sich gestellt durch die Stadt lief,“ beschrieb Margarete Ruppert, Lehrerin für evangelische Religion an der IGS und Gemeindepädagogin im Evangelischen Dekanat Ingelheim-Oppenheim, am Ende der Veranstaltung die Begegnung mit der Holocaust-Überlebenden.
Niemand habe das jüdische Mädchen aufnehmen wollen, denn einem Juden zu helfen, darauf stand die Todesstrafe. Und doch hatten ihre Eltern und sie immer wieder Hilfe von Menschen erfahren, die sich trotz der Gefahr für sie einsetzten. Und so ist die Botschaft der Neunundachtzigjährigen klar und kraftvoll: In jedem Land, in jeder Religion gibt es gute und schlechte Menschen, keine jüdische, schwarze oder andere Rasse, sondern nur eine - den Menschen.
Überleben trotz Verfolgung
Ihr Leben habe eigentlich gut begonnen, erzählte Kretz weiter. Als Tochter eines Arztes und einer Anwältin erlebte sie eine behütete Kindheit. Mit dem Einmarsch der Deutschen in Polen im September 1939 endete jedoch diese gute Zeit. Wie alle Juden musste die Familie fortan in einem jüdischen Viertel leben. Damals habe sie noch gar nicht gewusst, was „jüdisch“ bedeuten solle, die Folgen bekam die Familie jedoch deutlich zu spüren: Ihr Vater verlor seine Arbeit und Henriette durfte nicht wie die anderen Kinder zur Schule gehen. In ihren jungen Jahren erlebte sie eine Zeit fern von ihren Eltern, u. a. bei einer Patientin ihres Vaters. Dort musste sie sich hinter einem Schrank verstecken, wenn jemand die Familie besuchte. Dennoch wurde sie entdeckt und als Achtjährige in ein Gefängnis unter Frauen gebracht.
Immer weiter erzählte Henriette Kretz den Jugendlichen aus ihrem Leben und wie sie letztlich trotz aller Gefahren und Verlusten der Verfolgung durch die Nationalsozialisten entkam und überlebte.
Zeitzeugengespräch: Aus erster Hand vom Unrecht hören
„Eine Kindheit im Schatten des Holocaust“ lautete der Titel des offenen Gesprächsabends, der einen Tag später an der IGS stattfand und zu dem mehrere Kooperationspartner eingeladen hatten. Mehr als 250 Interessierte - darunter weitere Schülerinnen und Schüler, deren Eltern aber auch ältere Menschen - folgten der Einladung. Einige waren von weit angereist, was Henriette Kretz und das begleitende Team des Zeitzeugenprojekts im Bistum Mainz sehr freute.
Das Ziel des Projekts ist klar: möglichst viele Menschen sollen aus erster Hand von Zeitzeugen wie Henriette Kretz hören, welches Unrecht ihr und anderen durch den Nazionalsozialismus widerfahren ist. „Damit sich dieses dunkle Kapitel deutscher Geschichte nicht mehr wiederholt“, brachte Gemeindepädagogin Ruppert die beiden Zeitzeugengespräche an der IGS in Ingelheim auf den Punkt.
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