(21.11.2024). Gewalt kann viele Formen annehmen. Manchmal bleibt sie unbemerkt. Und manchmal geschieht sie mit voller Wucht. Was also tun? Mit dieser Frage haben sich Jugendliche im Rahmen des Präventionsprojekts „Gewalt hat eine Geschichte“ intensiv auseinandergesetzt. Am 15. November 2024 fand nun die Prämierung und Präsentation der ebenso beeindruckenden wie beklemmenden Projektbeiträge im Gymnasium zu St. Katharinen in Oppenheim statt.
Für Demokratie und Menschlichkeit
Gewalt, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit - das sind Themen, die Jugendliche u. a. im Unterricht in der Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus begegnen. Doch Diskriminierung, Ausgrenzung aber auch (Cyber-)Mobbing sind längst im Alltag der Jugendlichen angekommen. Dies zeigten eindrucksvoll die eingereichten Projekte von insgesamt zehn Jugendgruppen: Konfirmandinnen und Konfirmanden aus Kirchengemeinden des Evangelischen Dekanats Ingelheim-Oppenheim sowie Schülerinnen und Schüler verschiedener Schulformen rund um Oppenheim. Johanna Stein, ehemalige Lehrerin und Projektinitiatorin, moderierte souverän durch die zweistündige Veranstaltung. Zahlreiche Gäste aus Kirche und Politik waren der Einladung der Veranstalter gefolgt. Gernot Bach-Leucht, Landesjugendpfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), brachte in seinem Grußwort die Bandbreite des Jugendpräventionsprojektes auf den Punkt: „‚Gewalt‘ hat nicht nur eine Vergangenheit, sondern auch eine Gegenwart.“ Seit mehr als einem Jahrzehnt stehe es erfolgreich gegen Hass und klar für Demokratie und für Menschlichkeit. Niemand dürfe ausgegrenzt werden.
Zwischen Ausgrenzung und (Cyber-)Mobbing
Und doch wurden und werden Menschen ausgegrenzt. Ein Thema, das auch die Konfirmand:innen der evangelischen Kirchengemeinden Oppenheim und Dienheim mit Ludwigshöhe beschäftigte. In ihrer Präsentation setzten sie sich am Beispiel der Lebensgeschichte von Hans-Günther Viau aus Hamburg mit der Ausgrenzung und Verfolgung von Jugendlichen im Nationalsozialismus auseinander. Viau gehörte der Swing-Jugend an und widersetzte sich dem Druck, sich den nationalsozialistischen Idealen anzupassen. Dies führte ihn schließlich in das damalige Konzentrationslager Neuengamme - heute eine KZ-Gedenkstätte - wo er Zwangsarbeit leisten musste. Die Frage, wie sie selbst damals gehandelt hätten - auflehnen oder sich anpassen - sei nicht so einfach zu beantworten.
Neun weitere Jugendgruppen stellten nacheinander ihre Beiträge in der vollbesetzten Bibliothek der gastgebenden Schule vor - als Videobeitrag, Kunstwerk oder szenisches Spiel. Sie beschäftigten sich mit Diskriminierung und Mobbing an Schulen, Gewalt in der Musik, Stolpersteinen und persönlichen Schicksalen zur Zeit des Nationalsozialismus. Sie alle riefen dazu auf, sich gegen jede Form von Gewalt einzusetzen.
„Gewalt hat eine Geschichte“ in weiteren Regionen des Dekanats geplant
„Jedes Jahr melden sich mehr Gruppen an“, betont Jugendhausleiter Jürgen Salewski. Das Interesse steige deutlich. Der Diplom-Pädagoge koordiniert das Gesamtprojekt und bietet jährlich Projekttage und Exkursionen für Schul- und Konfirmand:innengruppen, z. B. zur KZ-Gedenkstätte nach Osthofen oder Führungen zum Thema „Stolpersteine“ in Oppenheim an. Um noch mehr Jugendlichen die Teilnahme zu ermöglichen, plant das Evangelische Dekanat Ingelheim-Oppenheim, das Präventionsprojekt in weiteren Regionen des Dekanats zu etablieren und lädt am 24. Januar 2025 in die IGS nach Ingelheim mit einem Impuls von Prof. Hans Neumann (Berlin) ein.
„Gewalt hat nicht nur eine Geschichte“, sagte Dekan Olliver Zobel in seinem Grußwort, „Gewalt hat Gründe“. Und darum sei es gerade in der aktuellen gesellschaftspolitischen Lage ganz besonders wichtig, sensibel zu sein und zu wissen und zu verstehen, warum Menschen ausgegrenzt werden oder Gewalt erfahren. Denn nur so bleibe man im Gespräch und könne, wie das Jugendprojekt jedes Jahr eindrucksvoll zeige, deutlich dagegen aktiv werden.
Über das Jugendpräventionsprojekt „Gewalt hat eine Geschichte“
Seit mehr als elf Jahren engagieren sich die Initiatorin Johanna Stein (Mitglied im Oppenheimer Geschichtsverein e.V.) und der Leiter des Oppenheimer Jugendhauses in Trägerschaft des Evangelischen Dekanats Ingelheim-Oppenheim, Diplom-Pädagoge Jürgen Salewski, in Kooperation mit der Gedenkstätte KZ Osthofen unermüdlich für das Jugendprojekt „Gewalt hat eine Geschichte“. Das Ziel: Demokratiebewusstsein fördern, Fremdenfeindlichkeit und Diskriminierung entgegenwirken. Als einen Baustein der jugendpolitischen Bildung geht es nicht nur darum, die Erinnerung an die Verbrechen der Nazi-Zeit wach zu halten, sondern Jugendliche stark zu machen, für sich und andere einzustehen. Unterstützt wird das Projekt vom Fachbereich Kinder und Jugend der EKHN und dem Landkreis Mainz-Bingen. Ein herzliches Dankeschön gilt in diesem Jahr zudem dem Klarinettenensemble des Gymnasiums für die wunderbare musikalische Begleitung.
Weitere Informationen zum Projekt finden sich auf der Website des Jugendhauses unter www.jugendhaus-oppenheim.de.